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Lawrence und Aaronsohn stritten um Palästina

"Lawrence von Arabien" "Lawrence von Arabien"
Quelle: pa/dpa
Als Spione und Lobbyisten hatten T.E. Lawrence und Aaron Aaronsohn ab 1914 dieselbe Mission - nur auf entgegengesetzten Seiten. Zwei Bücher stellen sich der Frage, wer von ihnen Frieden im Nahen Osten hätte schaffen können. Am Ende scheiterten allerdings beide.

Wohlbekannt ist die Geschichte des T. E. Lawrence – des Lawrence von Arabien – , der während des Ersten Weltkriegs einen Aufstand der Beduinen gegen die Türken lenkte und dann auf der Friedenskonferenz von Paris die Sache des arabischen Nationalismus vertrat, um schließlich in vielbeschriebener Obskurität zu entschwinden.

Außerhalb Israels fast völlig unbekannt hingegen ist die Geschichte des Aaron Aaronsohn aus Palästina, des Zionisten, Agrarwissenschaftlers, Spions und Organisators des NILI-Rings, der (angeblich) den Sieg der Briten über das Osmanische Reich ermöglichte und dann auf der Friedenskonferenz die Sache des Zionismus vertrat, bevor er im Mai 1919 bei einem rätselhaften Flugzeugabsturz ums Leben kam.

Arabern, Zionisten - die Briten versprachen allen alles

Die Autoren zweier neuer Bücher – Ronald Florence ganz explizit, Patricia Goldstone weniger – verknüpfen nun Aaronsohns Geschichte mit der von Lawrence, um für ihren Helden (und womöglich die eigenen Bücher) zu werben. Die Verknüpfung jedoch dient auch dem Zweck, die Geschichte des Nahen Ostens während und unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg neu zu erzählen, aus zwei – oder drei – der relevanten Perspektiven (wenn auch, einmal mehr, nicht aus der türkischen).

Die Geschichte – in deren Verlauf der Nahe Osten geopolitisch so umgeformt wurde, wie wir ihn heute kennen – dreht sich größenteils um jene drei, teils widersprüchliche Versprechen, die Großbritannien während der Kampfhandlungen gab. Den Arabern versprachen die Briten im Falle eines alliierten Siegs eine hochgradig verklausulierte „Unabhängigkeit“ und Staatlichkeit in nahezu allen arabischsprachigen Ländern des Osmanischen Reichs.

Frankreich versprachen die Briten die direkte Herrschaft über die Mittelmeerküste von Tyros (Libanon) über Syrien (Latakia) bis Alexandretta und Mersin (Südtürkei), die indirekte über ein Gebiet, das das heutige Syrien und die Gegend um Mosul im Nordirak umfasste, sowie, zusammen mit Großbritannien, die Gemeinherrschaft über das Kernland Palästinas. Der zionistischen Bewegung schließlich sagten die Briten ihre Unterstützung bei der Schaffung einer jüdischen „nationalen Heimat“ in Palästina zu.

Die Abmachungen erfüllte keine der Kriegsparteien

Die Nahostabteilung der Friedenskonferenz von 1919 war größtenteils mit der Quadratur des Kreises dieser britischen Versprechen beschäftigt und resultierte in einem Mandatssystem – und anhaltender arabischer Animosität gegenüber den Briten (und dem Westen insgesamt), denen man vorwarf, ihre Versprechen gebrochen zu haben.

Bequemerweise vergaßen die Araber dabei, dass das britische Versprechen im Tausch gegen einen arabischen Aufstand gegeben worden war, der substanziell zur Niederlage der Türken hätte beitragen sollen. Die Revolte jedoch, zu der es kam, war bloß „die Nebenattraktion einer Nebenattraktion“, wie Lawrence es ausdrückte.

Tatsächlich schwanden, wie der britische Premierminister Lloyd George später bemerken sollte, die arabischen Nationalisten aus Damaskus, Bagdad, Jerusalem und Aleppo einfach dahin. Solange der Krieg währte, blieb die überwältigende Mehrheit der arabischen Bevölkerung des Osmanischen Reichs treu und hoffte auf einen muslimischen Sieg über die (ungläubigen) Alliierten.

Indem sie Hussein ibn Ali die Herrschaft über den Hedschas zugestanden und seinen Sohn Faisal in Damaskus installierten, hatten die Briten ihren Teil der Abmachung also mehr als erfüllt.

Lawrence war ein Rassist seiner Zeit

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Der Mann, der dafür sorgte, dass London sein Versprechen nicht brach, und Faisal dabei half, seinen Laden in Damaskus und später in Bagdad zu eröffnen, war Lawrence. Ironischerweise hatte er vom arabischen „Nationalismus“ keine hohe Meinung. „Es gibt kein Nationalgefühl“ unter den Arabern, schrieb er 1925 über Syrien. Als er sich in Paris anschickte, für den Pan-Arabismus Partei zu ergreifen, wusste er also, dass er vorantrieb, was zu weiten Teilen ein Produkt seiner fiebrigen Vorstellungskraft war.

Nicht, dass Lawrence große Sympathien für die Juden gehabt hätte. Schon wahr, heimlich bewunderte er die zionistischen Pioniere. 1909 schrieb er an seine Mutter: „Palästina war einmal ein ansehnliches Land und könnte leicht wieder dazu gemacht werden. Je schneller die Juden es bestellen, desto besser: Ihre Kolonien sind Lichtblicke in der Wüste.“

Er teilte jedoch die Vorurteile seiner Klasse und Zeit. Über deutsche Juden schrieb er, sie seien „unfähig, den Kontakt mit Angehörigen anderer Rassen auszuhalten, im Allgemeinen der fremdeste und liebloseste Teil der gesamten Bevölkerung (Palästinas)“.

Angst vor den Plündereien der Türken

In Paris jedoch glaubte Faisal (wie Lawrence), auf das Wohlwollen der Zionisten angewiesen zu sein. In einem, von Lawrence entworfenen Brief vom 1. März 1919 an Felix Frankfurter schrieb Faisal: „Wir werden die Juden herzlichst willkommen heißen. Die jüdische Bewegung ist national und nicht imperialistisch, und in Syrien ist genug Platz für uns beide.“

Anfang 1920 stimmte Faisal ein ganz anderes Lied an. Er brandmarkte den Zionismus und krönte sich zum „König von Syrien und Palästina“. Kurz darauf, im März/April 1920, kam es zu ersten arabischen Großangriffen auf Juden. Aaronsohn war zu diesem Zeitpunkt schon tot. In Rumänien geboren und in Palästina aufgewachsen, hatte er 1915 NILI organisiert, um den Briten zum Sieg zu verhelfen.

Er fürchtete, dass die Türken mit den Juden in Palästina am Ende umspringen würden, wie sie mit den Armeniern in Kleinasien umgesprungen waren. Aaronsohns Schwester Sarah hatte die Türkei bereist und war Zeugin antiarmenischer Plünderungen gewesen. Aaronsohn hoffte, dass ein schneller britischer Sieg die Juden retten und die Schaffung eines jüdischen Staats ermöglichen würde.

Aaronsohn war nur offiziell technischer Berater

1916 reiste er im Dienste des Zionismus und seines Spionagerings, dessen prominenteste Figur seine Schwester Sarah war, nach London und Kairo; 1917 deckten die Türken den Ring auf und hängten einige seiner Mitglieder. Sarah wurde schwer gefoltert (Goldstone kennt die blutigen Details) und beging in einem unbeobachteten Moment Selbstmord.

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Zwischen 1916 und 1919 kreuzten sich die Wege von Aaronsohn und Lawrence bisweilen, in Kairo, London und Paris. Füreinander übrig hatten sie nichts. Aaronsohn beschrieb Lawrence als „kleine Rotznase“ und „Antisemiten“. Was Lawrence dachte, wissen wir nicht.

Sei es, wie es sei, 1918 kamen die beiden Männer als Anwälte zweier – bald offen feindseliger – Nationalbewegungen nach Paris. Lawrences Rolle dabei ist einigermaßen klar und wohlbekannt; der Rolle Aaronsohns widmen Florence und Goldstone viele Seiten.

Seltsamerweise gehörte Aaronsohn offiziell der britischen Delegation an. Er war Nahostberater in technischen Fragen und trat für die Armenier ein. Seine Hauptleistung jedoch bestand darin, die zionistische Delegation, angeführt von Weizmann und Nahum Sokolov, mit einer Karte zu versorgen, die deren geopolitischen Ziele absteckte.

Zwei Spione und eine gewagte These

Aaronsohns Karte lagen keine historischen Rechte oder religiösen Zugehörigkeiten zugrunde, sondern ökonomische sowie insbesondere agrarwirtschaftliche und hydrologische Realitäten. Aaronsohn wollte einen jüdischen Staat, der die Quellen von Palästinas zentralen Wasserressourcen einbegriff, den Jordan und den See Genezareth.

Die Sieger jedoch, von anderen Interessen geleitet, schrumpften „Palästina“ auf das Gebiet zwischen Mittelmeer und Jordan zusammen, die Libanon-Palästina-Grenze von 1923 im Norden, die Sinai-Negev-Grenze von 1906 und die Arava im Süden. Das waren die Konturen, die das Palästina unter britischem Mandat bis 1948 umrissen. Aaronsohn und Lawrence, ließe sich sagen, hatten nicht nur ihre kurze Karriere als Spione und, später, politische Lobbyisten gemein, sie scheiterten auch beide.

Und noch eine Verbindung könnte es geben. Lawrence widmete seine „Sieben Säulen der Weisheit“, einem oder einer „S.A.“. Eine – umstrittene – Theorie besagt, dass sich hinter diesem Kürzel Sarah Aaronsohn verbirgt.

Ronald Florence: Lawrence and Aaronsohn. Viking, New York. 528 Seiten, ca. 22 Euro.

Patricia Goldstone: Aaronsohn's Maps. Harcourt, Orlando. 352 Seiten, ca. 20 Euro.

Aus dem Englischen übersetzt von Wieland Freund.

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