Mich hat die Erkältungswelle auch getroffen. Das ist für diesen Text eigentlich ziemlich egal, wäre diese Situation nicht der Ausgangspunkt eines wohlverdienten Gammel-Samstags auf der Couch gewesen. Eingemummelt in eine Decke, mit Tee und Hustenbonbons bewaffnet, war der einzige Weg zur Genesung ein gepflegter Serienmarathon.
Ich schalte also meinen Fernseher an und rufe einen Streaming-Dienst meiner Wahl auf. Damit mein kleiner süßer Fernseher, der mindestens schon acht bis zehn Jahre auf dem Buckel hat, dazu in der Lage ist, habe ich ihn irgendwann mit einem Amazon-Fire-TV-Stick aufgepimpt. Das erschien mit etwa 30 Euro eine kostengünstige Möglichkeit, ihn so zu etwas wie einem Smart-TV aufzurüsten. Das Konzept hat mich im Laufe der Jahre so überzeugt, dass ich ihn regelmäßig gegen neuere Modelle eintausche. Erst vor ein paar Wochen – ja, ich bin ein Black-Friday-Opfer – war es wieder so weit.
Doch neben all den Vorteilen, die das kleine schwarze Zaubergerät auch bietet:
Doch in jüngster Vergangenheit nervt mich das Gadget tierisch. Grund dafür ist etwa nicht das zweifelhafte Serien- und Filmangebot des hauseigenen Streamingdienstes Amazon Prime oder irgendwelche technischen Bugs. Nein, es liegt an der Startseite, die mir das Gerät, das etwas größer als ein USB-Stick ist und in den HDMI-Ausgang eines jeden Fernsehers passt, ausspielt. Die Startseite wird jedes Mal automatisch aufgerufen, wenn ich den TV-Stick starte.
Für all jene, die keinen Fire-TV-Stick zu Hause haben: Die Seite versammelt die zuletzt aufgerufenen Apps, Serien- und Filmempfehlungen, aber auch Hinweise auf andere Amazon-Angebote – und genau die nerven tierisch. Weil es immer mehr werden und sie teilweise sogar Produkte außerhalb der Streamingwelt bewerben.
Kurz: Mein Fire-TV-Stick verwandelt sich in ein Homeshopping-Erlebnis
Quasi ein Amazon 2.0. Gut, manch einer wird jetzt schadenfroh denken: Haha, das kommt davon, wenn man sich das Produkt eines milliardenschweren Konzerns zulegt, der ohnehin nur auf Gewinnmaximierung aus ist und dessen Hauptgeschäft es ist, Waren zu verkaufen. Aber lange hat Amazon das Versprechen „Kaufe unser Produkt und wir bieten dir gute Qualität, ohne dich zu nerven“, relativ gut erfüllt.
Daher bin ich im Besitz eines Kindles (immerhin, dort bisher noch nichts zu beanstanden) und eben eines Fire-TV-Sticks. Wenn ich jetzt gerade in diesem Moment den Stick starte, springt mir gleich eine riesengroße Jean-Paul-Gaultier-Parfum-Werbung entgegen. Die Marke präsentiert aktuell die Leih- und Kaufdeals der Videoinhalte auf Amazon – und wenn ich eben jenen Link aufrufe, um mir ein vermeintliches Filmschnäppchen zu sichern, dann muss ich mir erst mal die Werbung eines Parfums anschauen.
Willkommen in der neuen Marketingwelt von Amazon
Das ist kein Einzelfall. Zu verkaufsstarken Events wie dem Anzeigengeschäft oder dem Amazon-Prime-Day werden auf der Startseite des TV-Sticks regelmäßig Hinweise zu den Angebotsseiten des Onlineshops eingeblendet. Inzwischen sind auch Anzeigen fremder Anbieter auf dem Fire-TV mittlerweile ein ganz normales Geschäft für den Konzern. Und Amazon geht noch weiter, wie ein Bericht des Online-Magazin „The Verge“ zeigt.
Demnach integriert der Konzern immer mehr sogenannte AVOD-Inhalte, kurz für Advertising-Video-on-Demand. Das kennen wir alle von Netflix: Wir müssen nichts zahlen, schauen aber vorher Werbung. Eine clevere Masche: Auch wenn der Fire-TV-Stick-Nutzer kein Prime-Video-Abo hat, verdient Amazon so an ihm Geld, wenn der Nutzer sich einen AVOD-Inhalt ansieht. Der neuste Clou in den USA sind Musikvideos, die man wie bei YouTube auf dem Fire-TV-Stick in der eigenen App kostenlos sehen kann – mit einer vorherigen Werbeeinbindung.
Amazon Prime Video, Disney Plus, Netflix: Alle machen Werbung
Eine Strategie, die Amazon Prime Video im Wettbewerb mit den Konkurrenten wie Disney Plus einen einzigartigen Vorteil verschaffen soll. Werbung vor den Inhalten, Produktplatzierungen in Shows, all das kennen wir bereits auch von Prime-Video, Apple TV Plus und wie sie alle heißen. Doch integrierte Werbung auf der Plattform, mit der man die Streamingdienste erst aufrufen kann – das ist in dieser Brutalität neu. Sie ist in gewisser Weise auch eine Art Hilferuf der Streamingwelt, die neben der Abonnentenakquise verzweifelt versucht, neue Gewinnquellen zu erkunden.
Im Prinzip bezahlt man für die Werbung auf dem Fire-TV-Stick doppelt: Für die Anschaffung – das aktuelle Modell kostet zwischen 60 und 65 Euro – und um das Gerät optimal nutzen zu können für das Amazon-Homeshopping-Abo – 8,99 Euro im Monat. Natürlich kann man den TV-Stick auch ohne ein Prime-Abo nutzen, viele der komfortablen Einstellungen und auch die Startseite des Gerätes sind allerdings auf den hauseigenen Streaming-Dienst ausgelegt.
Ich bin davon wirklich nicht angetan, um es nett auszudrücken. Amazon versucht diese Tatsache auch gar nicht zu verstecken, es ist offensichtlich. Entweder man nimmt es hin oder benutzt das Produkt eben nicht mehr. Da der Fire-TV-Stick aber immer noch eines der günstigsten Angebote ist, das noch dazu mit vielen Geräten und Apps kompatibel ist, tolerieren einfach viele die neue Homeshopping-Plattform von Amazon.
Ich auch. Noch zumindest. Denn eigentlich will ich doch nur, wenn ich krank auf der Couch liege, ein wenig Comfortbinging betreiben – und nicht von Tausenden Werbe-Einblendungen getriggert werden. Dafür gibt es den Rest des Internets.
Das macht übrigens die Konkurrenz: