Neuerdings fahre ich gerne Bus. Ich mag das. Im Bus sind immer andere Menschen drin. Und ich finde andere Menschen immer interessant. Wie sie ausschauen. Was sie lesen. Über was sie reden. Die Busfahrer sind zwar meistens grummelig. Aber wenn ich ihnen ein unverschämtes Kompliment mache, lächeln sie ganz kurz.
Dass ich jetzt Bus fahre, hat damit zu tun, dass in meiner Heimatstadt Erlangen seit Jahresanfang das Busfahren fast gratis ist, und auch damit, dass die Taxifahrer in Erlangen die unfreundlichsten auf der ganzen Welt sind und meistens keine Karte (Hallo, Finanzamt!) akzeptieren. Jedenfalls hat es Erlangen mit Überschriften wie „Warum man in Erlangen jetzt gratis Bus fahren kann“ in fast jede überregionale Zeitung geschafft. Nur das Problem ist: Es stimmt halt nicht. Die gefühlt drei Millionen Faktenfinder in Deutschland haben versagt.
Gratis ist das Busfahren nur in der sogenannten „Innenstadt“. Was bei einer sehr kleinen Stadt wie Erlangen lustig ist, weil eigentlich alles Innenstadt ist. Aber die Innenstadt in der Definition der neuen Regelung ist nur ein kleiner Teil des, wie schon gesagt, kleinen Erlangens. Und so müssen die meisten Leute weiterhin Geld für das Busfahren bezahlen.
In einer Stadt wie Erlangen, die zwar real eine Klein-, aber per Einwohnerzahldefinition eine Großstadt ist, kann man das mit dem Bus ja auch ganz okay machen. Da fährt schon alle zehn Minuten irgendeiner irgendwo hin. Was aber auch ziemlich egal ist, weil das Meiste in maximal zehn Minuten zu Fuß oder mit dem Rad zu erreichen ist. Aber wenn man schon wirklich irgendwo hin will, was gleich um die Ecke ist, dann kann man in Erlangen jetzt auch den Bus nehmen. Im Rest Deutschlands ist das aber nicht so.
An Haltestellen wie der Casparistraße in Uentrop im Sauerland kommt der Bus Montag bis Freitag nur drei Mal am Tag. Am Wochenende gar nicht. Bei den Kollegen der „Bild“-Zeitung las ich vergangenen Monat über eine 29 Kilometer lange Buslinie in Sachsen, an der man an sechs Haltestellen zwar ein-, aber nicht aussteigen darf. Der Grund sind deutsche Bürokratie und die Finanzierung beziehungsweise Nichtfinanzierung der Buslinie durch verschiedene Landkreise.
Öffentlicher Nahverkehr und insbesondere das Busfahren sind wirklich nur dann praktikabel, wenn man nicht darauf angewiesen ist. Und so schön Klimakonferenzen oder ein Talkshow-Auftritt von Luisa Neubauer und Volker Quaschning auch sind, und egal, wie viele Lehrerhaushalte mit dem eigenen Strom vom Dach ihren Zweitwagen laden, egal, wie viele Menschen der oberen Mittelschicht in Szenebezirken von Bus und Lastenfahrrädern schwärmen – ohne Auto kannst Du auf dem Land nur sterben. Ein Leben ist das nicht, wenn der Bus ins Nirgendwo nur drei Mal am Tag kommt. Und am Wochenende oder in den Schulferien eben gar nicht.
Unser Autor berichtet in seinen „Notizen aus der Provinz“ regelmäßig über das Leben dort – vom Kürbisfest in Muggendorf bis zur Kartoffel-Döner-Bratwurst in Schleswig-Holstein.