Wenn Königin Margrethe II. von Dänemark in Kürze den Thron verlässt, hinterlässt sie ein prägendes Vermächtnis: ein Leben, das sich nicht in königlichen Pflichten erschöpfte, sondern in ihrer Rolle als Künstlerin, Designerin und leidenschaftliche Raucherin auch einen modernen Hedonismus verkörperte. Margrethe meisterte es, den gegenwärtigen Moment zu zelebrieren, ohne das große Ganze aus den Augen zu verlieren.
Diese Lebensphilosophie findet nach Jahren der Pandemie und inmitten wirtschaftlicher und politischer Unruhen besonderen Widerhall. 2024 sehnt sich die Welt trotz allem nach etwas Unbeschwertheit. Doch das Gleichgewicht zu finden zwischen spontanen Lebensfreuden und tiefergehendem Wohlbefinden ist bekanntermaßen eine Kunst. Wie kann sie jetzt in der Mode, beim Einrichten, beim Reisen, Essen und in Bezug auf Schönheitstrends gelingen?
Modische Anarchie
Die Mode dürfte 2024 zur Rebellion gegen die Konventionen werden. Trendanalyst Carl Tillessen prognostiziert: „Die Mode wird wilder und freizügiger. Es wimmelt nur so von Fetisch-Elementen. Wir sehnen uns nach Zügellosigkeit, brauchen Ventile, wollen ausbrechen, uns ausleben“.
Tatsächlich macht sich erkennbar ein Indie-Sleaze-Revival, also so etwas wie Schmuddellook, breit. Angeführt vom Designer und Meister des Unangepassten, Hedi Slimane, mit der Celine-Show „The Age of Indieness“. Seine verwaschenen Röhrenjeans waren einst Uniform von Rockstars und Models und bewegten sogar Karl Lagerfeld dazu, abzunehmen. Weitere Referenzen gibt es bei der wiederauferstandenen Phoebe Philo. Und selbst Chanel ließ gerade seine Modenschau in Manchester stattfinden, Heimat einiger der einflussreichsten Indie-Bands.
Doch Nonkonformismus kann auch stilvollere Gesichter haben. Für die Feingeister etwa gibt es Yvy, das Schweizer Label, das Fetisch zur Eleganz erhebt. Hier werden handgefertigte Ledertops über Etuikleider und schlichte weiße T-Shirts getragen – ein Statement, das sowohl Haut als auch Haltung zeigt.
Und dann sind da noch die Schleifen – ein Trend, der an der Oberfläche einfach erscheint, aber Finesse erfordert. Sarah Jessica Parker hat sie kürzlich in einer Kollektion aus Rips-, Taft- und Satinmodellen zelebriert. Schleifen verlangen jedoch ein gewisses Fingerspitzengefühl. Zu groß, zu klein, oder als Verjüngungsaccessoire missbraucht, können sie vom schicken Akzent zum modischen Fauxpas werden.
Drohende Einrichtungsunfälle
Wohnzimmer könnten 2024 zu Schauplätzen werden, wo sich unkontrollierter Hedonismus breitmacht. Denn im April steht die Legalisierung von Cannabis an, vorausgesetzt, der Bundestag nickt ab. Künftig wird also der Hanf-Anbau zumindest unter gewissen Umständen zu Hause möglich. Bekanntermaßen brauchen die Pflanzen extra Leuchten – ein möglicher Einrichtungstrend in diesem Jahr. Doch egal, welcher Designer sich dieser Gestaltungsaufgabe annimmt: Es wird wohl schiefgehen.
Hotspots für Genussmenschen
Reisen werden 2024 zu einer Suche nach Authentizität und einer Flucht aus dem Überfüllten. Paris etwa könnte als Gastgeberin der Olympischen Spiele zum Opfer ihres eigenen Charmes werden. Voraussichtlich wird die Stadt noch stärker mit Touristen bevölkert als ohnehin und temporär umfunktioniert zum globalen Sportcamp. Franzosen werden bereit sein, Englisch zu sprechen, Cafés sich der Hafermilch beugen, Hotelpreise explodieren und das Problem mit den Bettwanzen möglicherweise komplett aus dem Ruder laufen.
Doch wer Genuss sucht, wird 2024 auch anderswo fündig. Zum Beispiel in Bad Ischl. Die Kulturhauptstadt lockt mit österreichischem Charme und stiller Gelassenheit. Wo sich einst Kaiser entspannten, könnte der Geist der Festlichkeit in die historischen Gärten einkehren, die berühmten Solebäder mit Champagner gefüllt werden und das Café Zauner, ohnehin eine Institution für Feinschmecker, zum Hotspot avancieren.
Und wenn gegen Jahresende die Sehnsucht nach einem Hauch von Pariser Flair doch zu groß wird, bietet sich ein Abstecher nach Argentinien an, um sich anzuschauen für welche Umbrüche der Präsident und Anarchokapitalist Javier Milei nach einem Jahr Regierung gesorgt hat. Hat die Frisur Nachahmer gefunden? Wird es ihm gelingen, Argentinien wieder zu einem der wohlhabendsten Länder zu machen, wie vor hundert Jahren? Am besten jetzt schon mal einen Platz im Don Julio in Buenos Aires reservieren, wo es das beste Steak der Welt gibt.
Fast Food spaltet
Ansonsten könnte 2024 in kulinarischer Sicht eher geschmacklos werden. Die Plattform Pinterest sieht eine Tendenz zur „Fast Food Fusion“ – eine fragwürdige Hommage an den kulturellen Melting Pot, die uns „Burger-Quesadillas“, „Instant-Ramennudeln mit Carbonarasoße“ und „Pizza Pies“ beschert. Dann doch lieber McDonalds – die Kreuzungen der Convenience-Küche könnten den Big Mac unverhofft auf die Stufe eines Gourmetklassikers stellen.
Denkerfalten oder Präventionsmanagement?
Was Schönheitseingriffe betrifft, stehen die Deutschen im Jahr 2024 vor einer Zerreißprobe. Botox – ja oder nein? Die Deutsche Gesellschaft für Ästhetische und Plastische Chirurgie (DGÄPC) hat einen Rückgang bei Botox-Behandlungen für 2023 verzeichnet, während die Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC) einen Anstieg der Behandlungen von Mimikfalten um 7,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr meldet. Der bedachte Einsatz von Botulinumtoxin kristallisiert sich somit als eines der Kernthemen für 2024 heraus. Kaum verwunderlich, wenn man bedenkt, dass schon die reine Überlegung Sorgenfalten auf die Stirn zaubert. Die Entscheidung pro oder contra Botox muss möglichst früh im Leben gefällt werden – als eine Art präventives Faltenmanagement. Wer zu Botox greift, kann sich über ein äußerlich sorgenfreies Dasein freuen – allerdings um den Preis einer erstarrten Mimik. Ein paradoxes Dilemma, insbesondere in einem Land, das sich seiner Dichter und Denker rühmt.