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Albtraum Zug? Rückblick auf die Glanzzeiten des Verkehrsmittels

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Fünfmal wurde der Agatha-Christie-Roman „Mord im Orient-Express“ verfilmt. Hier eine Szene aus dem Jahr 1974 Fünfmal wurde der Agatha-Christie-Roman „Mord im Orient-Express“ verfilmt. Hier eine Szene aus dem Jahr 1974
Fünfmal wurde der Agatha-Christie-Roman „Mord im Orient-Express“ verfilmt. Hier eine Szene aus dem Jahr 1974
Quelle: picture alliance/Mary Evans Picture Library
Einst waren Züge und ihr Personal Mythen. Jungs wollten Lokführer werden, die Reise auf der Schiene war Abenteuer, Begegnung und Befreiung. Heute zittert man vor Verspätung und Streik. Eine Zeitreise.

Zugegeben: Die Idee, einen schwarzen Jungen in einem Paket zu verschicken, wirkt heute zumindest befremdlich. Und doch ist es der Anfang einer wunderbaren Freundschaft. Zwischen dem Jungen, der Jim Knopf genannt wird, und dem Lokomotivführer Lukas. Michael Ende schrieb diese vielfach ausgezeichnete Geschichte Anfang der 60er-Jahre, da war eine solche Freundschaft in Deutschland noch eine absolute Rarität und sein Kinderbuch insofern ein Stück Weltöffnung. Die Augsburger Puppenkiste machte die beiden noch ein wenig unsterblicher, inklusive der Lokomotive Emma, die eigentlich eine Art Verwandlungskünstlerin ist.

Es ist bei Weitem nicht das einzige Beispiel dafür, wie ein Zug und/oder sein Fahrer Sinnbild waren für Welteroberung und Abenteuer. Mit dem – zeitweise verplombten – Zug ließen die Deutschen 1917 Lenin zurück nach Russland fahren, um den Weltkriegsgegner innenpolitisch zu schwächen; letztes Jahr kämpfte Brad Pitt unter anderem gegen den Mega-Popstar Bad Bunny in dem Action-Kracher „Bullet Train“; im Schlafwagen feierte Marilyn Monroe mit den als Frauen verkleideten Bandkollegen Jack Lemmon und Tony Curtis einen Champagner-Empfang: „There is a party in number five“ zählt zu den großen Sätzen der Filmgeschichte.

Brad Pitt mit Popstar Bad Bunny im „Bullet Train“
Brad Pitt mit Popstar Bad Bunny im „Bullet Train“
Quelle: ullstein bild/United Archives

Heute ist von diesem Glanz, außerhalb der Luxuszüge, die durch die schottischen Highlands oder Europas Südosten tingeln, wenig übrig geblieben. Eine Zugfahrt in Deutschland: Da erwartet man automatisch das Schlimmste. Dass die Waggons in irgendeiner x-beliebigen Reihenfolge aneinandergehängt werden, womit oft auch Reservierungen obsolet gemacht werden, gehört zur Routine. Ebenfalls geschlossene Speisewagen oder ein radikal verkleinertes Speiseangebot (weil der Kühlschrank ausgefallen ist, die Lieferanten verschlafen haben oder Ähnliches). Klimaanlage und Heizung sind Glückssache.

Oft trifft man auf wacker den Widrigkeiten trotzendes Zugpersonal, praktisch immer auf Mitreisende, die sich ihrer Schuhe entledigen und trotz freier Plätze in den Räumen vor der Toilette am Boden kauern. Und ja: Es gibt sie noch, die Mobiltelefonschreier, die nach Jahrzehnten immer noch nicht verstanden haben, dass Lautstärke keine Entschlusskraft signalisiert, sondern Rücksichtslosigkeit und Unprofessionalität. In diesen Tagen, pünktlich zur reisefreudigen Vorweihnachtszeit, droht ein Lokführerstreik das Schienennetz lahmzulegen. Albtraum Zug? Zeit für einen Rückblick auf historische und fiktionale Höhepunkte dieses Verkehrsmittels.

Fahrt ohne Wiederkehr

Eigentlich will Hans Castorp nur drei Wochen in dem Schweizer Sanatorium für Lungenkranke verbringen. Daraus werden sieben Jahre. Den letzten Teil seiner verschlungenen Anreise aus Hamburg, unter dem Arm eine „krokodilslederne Handtasche“, erledigt er mit Zügen. In dem Örtchen Landquart wechselt er in eine Schmalspurbahn, denn jetzt „beginnt der eigentlich abenteuerliche Teil der Fahrt, ein jäher und zäher Aufstieg, der nicht enden zu wollen scheint“. So nähert sich der junge Mann dem „Zauberberg“ (erschienen 1924), wo ihn Thomas Mann sieben Jahre lang grübeln, verweilen, staunen und fast sterben lässt. Das erledigt dann der Erste Weltkrieg, um an dem teilzunehmen, Castorp im Zug wieder abreist.

Wahlkampf auf Schienen

Der Salonwagen mit Willy Brandt
Der Salonwagen mit Willy Brandt
Quelle: picture-alliance/Sven Simon

Der letzte Kanzler, der im sogenannten Salonwagen fuhr, war Willy Brandt, der von der Schiene aus Wahlkampf machte. Ursprünglich war der „Salonwagen 10 205“ im Jahre 1937 von der Deutschen Reichsbahn für Hermann Göring gebaut und dann, wie so viele Politiker, Richter und Beamte, von der Bundesrepublik weitergenutzt worden. Er verfügte über zwei Apartments, zwei Bäder und eine Sitzbadewanne. Der voluminöse Göring war mit der Stabilität der Matratzen und dem Format der Wanne unzufrieden und forderte eine Überarbeitung. Seinen wichtigsten Einsatz hatte der Zug 1955 bei der Russlandreise Konrad Adenauers, bei der er über die letzten deutschen Kriegsgefangenen verhandelte. Er selbst nahm das Flugzeug, aber der Salonwagen wurde als Konferenzraum genutzt, auch weil man hoffte, er sei abhörsicher.

Apropos Willy Brandt

Der Zug als Metapher

Sergio Leones „Spiel mir das Lied vom Tod“
Sergio Leones „Spiel mir das Lied vom Tod“
Quelle: picture alliance

Eine der quälendsten Zugszenen der Filmgeschichte – und eine der großartigsten –, ist der Anfang von Sergio Leones „Spiel mir das Lied vom Tod“ von 1968. Allein der Kampf eines der drei Killer, die am Bahnhof warten, mit einer lästigen Fliege ist ein Meisterwerk der Zeitdehnung. Doch die tödliche Begegnung mit dem Passagier ist nicht einfach nur Agonie mit anschließendem Knalleffekt. Die Schienen sind in diesem Epos der Weg in den gelobten Westen, und sie werden blutig umkämpft. Quasi eine stählerne Metapher auf die Geschichte Amerikas. Der schwer kranke Eisenbahnunternehmer Morton, der in seinem schützenden Waggon lebt wie in einem Exoskelett, endet jämmerlich in einer Pfütze. Der Zug wird am Ende nach Kalifornien fahren, aber um einen anderen „Spaghetti-Western“ zu zitieren: Leichen pflastern seinen Weg.

Selbst die Lok schnauft

Marilyn Monroes Zugparty in „Manche mögen’s heiß“
Marilyn Monroes Zugparty in „Manche mögen’s heiß“
Quelle: picture-alliance

Ein ähnliches Schicksal droht den New Yorker Musikern Jerry und Joe, die versehentlich Zeugen eines Bandenverbrechens werden. Sie können unerkannt fliehen und schließen sich als Frauen verkleidet einer Damenkapelle an, die auf dem Weg nach Miami ist. Verspätet, wie auch im echten Leben, stolziert der Star der Band über den Bahnsteig. Es ist aus heutiger Sicht ein Herrenwitz des Regisseurs Billy Wilder, aber ein guter: Als Sugar (Marilyn Monroe) die Lok passiert, schnauft diese wollüstig Dampf aus. So ähnlich geht es auch Joe (Tony Curtis), der später als liebesunfähiger Millionär verkleidet das Herz der Ukulele-Spielerin erobert. Den Rest der Handlung von „Manche mögen’s heiß“ von 1959 kennt vermutlich jeder auswendig, inklusive der chaotischen Party in der Koje von Sugar. Nach dieser Szene muss einem jede Nacht im Schlafwagen einsam und fad vorkommen.

Bahnsteig 9 3⁄4

Harry Potters Weg nach Hogwarts, King’s Cross, Bahnsteig 9 3⁄4
Harry Potters Weg nach Hogwarts, King’s Cross, Bahnsteig 9 3⁄4
Quelle: Allstar/Warner Bros.
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Es klingt fast wie ein Verwirrungsmanöver der Deutschen Bahn, es ist nur eine der unzähligen Ideen im Harry-Potter-Kosmos, aber eine besonders wirksame. Der Weg zum Zauber-Internat Hogwarts führt seit 1997 über die Plattform 9 3⁄4 des Londoner Bahnhofs King’s Cross. So erreicht der Junge mit der Narbe auf der Stirn die Schule, an der er seine Fähigkeiten zu meistern lernt – und natürlich den Mörder seiner Eltern trifft.

Rasant durchs Eis

Die Erde ist durch eine Klimakatastrophe unter Schnee und Eis begraben, ein von einem Perpetuum Mobile betriebener 1001-Waggon-Megazug rast um den Globus mit den 3000 Überlebenden. An Bord des „Snowpiercer“, so der Name des Films von 2013, sind Privilegierte und Arme, fein säuberlich getrennt. Es kommt, natürlich, zur Revolution, die so blutig und grotesk ist, wie es im koreanischen Kino üblich ist. Ebenso üblich: Sozialkritik wird hier nicht gepredigt, sondern mit maximal Ballistik und Kunstblut inszeniert. Kleine, feine Nebenrolle: Tilda Swinton mit Kunstzähnen aus der Hölle. Genau die Art von Sitznachbarin, vor der man in die 2. Klasse flieht.

Swingender Sonderzug

Auch wenn er sich meist als Rocker geriert hat, ist Udo Lindenberg ein Kenner und Fan vor allem der amerikanischen Populärmusik. Er coverte den Soulklassiker „Sitting on the Dock of the Bay“ von Otis Redding und für seine Honecker-Spotthymne deutschte er einen Glen-Miller-Klassiker ein. Aus „Chattanooga Choo Choo“ wurde 1983 der „Sonderzug nach Pankow“. Er war einer seiner größten Hits, die erhoffte DDR-Tournee ergab sich daraus nicht. Immerhin reiste er viel später mit einer Art Partyzug in die neuen Bundesländer, als eine Art „self fulfilling prophet“.

Albtraumzüge

Sagenumwoben: Orient Express, in der 2017-Version
Sagenumwoben: Orient Express, in der 2017-Version
Quelle: picture alliance/ZUMAPRESS.com/Twentieth Century Fox

Ein Edelsegment im Reisemarkt sind die Luxuszüge, die durch besonders reizvolle Ecken der Welt mit allem Komfort rattern: der Belmond Royal Scotsman durch die schottischen Highlands, der Glacier Express durch die Schweizer Alpen, der Rovos Rail von Südafrika nach Tansania, die Belle-Epoque-Perle El Tren Andalus in Südspanien. Der berühmteste ist natürlich der sagenumwobene Orient Express, der ursprünglich Paris mit Istanbul (damals noch Konstantinopel) verband, auch wenn die Fahrgäste zwischendurch auf Fähren umsteigen mussten. Fünfmal wurde der Agatha-Christie-Roman „Mord im Orient-Express“ verfilmt, zuletzt von und mit Kenneth Branagh als Meisterdetektiv Hercule Poirot. Die Pointe des Plots: Praktisch alle Passagiere sind am Mord eines Mitreisenden beteiligt. Klingt wie aus dem Leben gegriffen.

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