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Mode Met Gala 2024

Einst aufregendstes Modeevent der Welt – nun wie ein Blumenmarkt in Kalkutta

Autor im Ressort Stil
Zendaya at the 2024 Met Gala: "Sleeping Beauties: Reawakening Fashion" held at The Metropolitan Museum of Art on May 6, 2024 in New York City. (Photo by Gilbert Flores/Variety via Getty Images) Zendaya at the 2024 Met Gala: "Sleeping Beauties: Reawakening Fashion" held at The Metropolitan Museum of Art on May 6, 2024 in New York City. (Photo by Gilbert Flores/Variety via Getty Images)
Superstar Zendaya mit Blumenkopf
Quelle: Variety via Getty Images
Die Met Gala in New York war lange das glanzvollste Fest des Modejahres. 2024 aber ging einiges schief: Das Thema musste kurzfristig geändert werden, der Hauptsponsor war unglücklich gewählt – und die drei größten Stars kamen nicht.

„Blumenmuster fürs Frühjahr? Bahnbrechend“, sagt die Chefredakteurin zu dem zaghaft geäußerten Themenvorschlag einer Redakteurin mit der Ruhe einer Kobra kurz vorm Zustoßen. Die vernichtende Reaktion gleicht einer halb öffentlichen Exekution – und ist eine der meistzitierten Szenen aus dem Film „Der Teufel trägt Prada“ mit Meryl Streep und Anne Hathaway. Doch wie so oft erweist sich die Wirklichkeit als die noch bessere Drehbuchautorin.

Wie jedes Jahr am ersten Montag im Mai schritten die Menschen, die in der Welt der Mode und des Showbusiness mächtig und wirkmächtig sind, die Eingangsstufen des Metropolitan Museum of Art (kurz: Met) hinauf. Manche zeigten sich fast nackt, andere interpretierten historische Kleider neu, viele trugen Blumen in allen Variationen. Doch all der Glanz, die atemlose Kommentierung jedes Looks in den sozialen Medien, die beflissene modegeschichtliche Verortung der Vintage-Kleider, der ganze emotionale und intellektuelle Aufwand konnte nicht so richtig darüber hinwegtäuschen, dass das über Jahrzehnte unbestritten glanzvollste Mode-Event 2024 deutliche Ermüdungs- und Zersetzungssymptome zeigte.

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Es war ein bisschen wie auf dem Blumenmarkt in Kalkutta, dem größten des indischen Halbkontinents. Man kann sich vor Blüten nicht sattsehen, und hat doch den Fäulnisgeruch in der Nase, der vom Boden aufsteigt, wo sich Verblühtes häuft und gärt. Das Costume Institute, der glamouröse Arm des Met, steckt in einer Formkrise – und damit Anna Wintour, die legendäre Chefredakteurin der amerikanischen „Vogue“ und inzwischen die Globalverantwortliche für die redaktionellen Inhalte des Mutterkonzerns Condé Nast.

Denn so toll die Bilder auch aussehen, die seit Montagnacht um die Welt gingen – sie illustrieren doch ein Event, bei dem erstaunlich viel schiefgelaufen ist. Um mit dem vielleicht Offensichtlichsten anzufangen: Nicht zu sehen sind drei Frauen, die die Welt der Mode derzeit prägen wie kaum jemand sonst: Beyoncé Knowles, die sich mit ihrem Country-Album den Trend des Jahres (Western) perfekt einverleibt hat, Rihanna, die bislang zuverlässig die krassesten und besten Looks über den Teppich der Met Gala schleppte, und Taylor Swift, deren neues Album mal wieder alle möglichen Rekorde gebrochen hat.

NEW YORK, NEW YORK - MAY 06: Kim Kardashian attends the 2024 Costume Institute Benefit for "Sleeping Beauties: Reawakening Fashion" at The Metropolitan Museum of Art on May 06, 2024 in New York City. (Photo by Taylor Hill/Getty Images)
Aber sie war zu sehen: Kim Kardashian mit Cardigan
Quelle: Getty Images

Und wenn man fair ist, fehlte auch Madonna, mitverantwortlich für Glanz und Elend der letzten Jahrzehnte. Vermutlich gibt es für jede diese Abwesenheiten unterschiedliche Gründe, die eine hat vielleicht nichts zum Anziehen gefunden, die andere musste vor 1,6Millionen Menschen in Rio de Janeiro spielen, was selbst in Wintours Augen als Ausrede bestehen dürfte. Trotzdem muss sie sich fragen: Wie steht es um die eigene Relevanz, wenn Rihanna wegen einer Erkältung einfach zu Hause bleibt?

Das dekadente Leben in einem ummauerten Garten

Und das ist bei Weitem nicht die einzige Frage. Die Met Gala ist ein Fundraising-Fest, das Geld einspielt für das notorisch verschwenderische Costume Institute, in diesem Jahr waren es 26 Millionen Dollar. Letzteres eröffnet fast zeitgleich mit dem Event seine wichtigste Ausstellung des Jahres. Meist ist deren Thema identisch mit dem Dresscode der Party. Bei Karl Lagerfeld (2023) etwa spielten die Gäste mit dessen Lieblingsthemen (schwarzer Anzug, schwerer Schmuck, puschelige Katze), beim Katholizismus (2018) übten sich alle in Frömmigkeit und Blasphemie. Dieses Jahr war es etwas komplizierter.

Die Ausstellung trägt den Titel „Sleeping Beauties. Reawakening Fashion“ (Schlafende Schönheiten. Das Wiedererwachen der Mode), was ja einigermaßen kryptisch ist. Der Dresscode für die Party lautete „Garden of Time“, nach einer Kurzgeschichte von J.G. Ballard, in der ein Paar ein dekadentes Leben in einem ummauerten Garten verbringt, aber von Unterpriveligierten bedroht und dem Untergang geweiht ist.

Diese Elitärelegie des britischen Schriftstellers wird, wie die Band Joy Division, David Bowie oder die Krustentiere von Salvador Dalí, von Modeleuten immer wieder mal zitiert. So war „Garden of Time“ auch das Thema einer Thom-Browne-Kollektion von 2021. Dessen Lebenspartner Andrew Bolton ist wiederum der Chefkurator des Costume Institute, was zeigt, wie inzestuös kurz die Wege sind. Insgesamt oszillieren Ausstellungsthema und Dresscode zwischen prätentiös und fad, was nicht weiter verwunderlich ist, denn ursprünglich sollten sie dem Lebenswerk von John „Ich liebe Hitler“ Galliano gewidmet sein.

Dieser hatte mit besoffenen, antisemitischen Tiraden 2011 seine Karriere ruiniert – und sich als Kreativdirektor bei Martin Margiela in den letzten Jahren wieder Ansehen erarbeitet. Nun fanden Bolton und Wintour, die ihn durch Höhen und Tiefen hinweg unterstützt hat, dass es Zeit für die Rehabilitierung von Galliano sei. Offiziell hat Wintour mit den kuratorischen Entscheidungen des Costume Intstitute nichts zu tun, aber das wird von Mitarbeitern anders geschildert und ist überdies völlig unglaubwürdig. Jedenfalls soll die Ausstellung nach einem Bericht des „New York Magazine“ vom Board des Metropolitan Museum gekippt worden sein, so dass kurzfristig ein Plan B konzipiert werden musste.

Staatsfeind auf dem grünen Teppich

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In dem kürzlich erschienenen Dokumentarfilm über John Galliano sah man einen Mann, der unfähig ist, sich seinen Verfehlungen zu stellen – und der sich bis heute nicht bei den Menschen entschuldigt hat, denen er an den Kopf warf, dass ihre Vorfahren hätten vergast werden sollen. Er ist bemitleidenswert, er ist ein Wahnsinnstalent, aber die Vorstellung, dass man in politisch so dünnhäutigen Zeiten ausgerechnet diesen Mann mit der wichtigsten Modeausstellung des Jahres feiert, ist weltfremd – und das ist etwas, was man Anna Wintour bisher nicht nachsagen konnte.

Und eine gute Verliererin ist sie nicht. Drei der wichtigsten Gäste des Abends, zwei davon waren offizielle Mit-Gastgeber, trugen Entwürfe von John Galliano. Der puerto-ricanische Superstar Bad Bunny, die Selbst-Unternehmerin Kim Kardashian und die Schauspielerin Zendaya, die sogar in zwei verschiedenen Looks vor die Fotografen stolzierte.

06.05.2024, USA, New York: Bad Bunny besucht die Benefizgala des Costume Institute im Metropolitan Museum of Art anlässlich der Eröffnung der Ausstellung «Sleeping Beauties: Reawakening Fashion» Ausstellung. Foto: Matt Crossick/PA Wire/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Bad Bunny
Quelle: dpa

Ähnlich unsensibel war die Entscheidung, den chinesischen Digitaldienst TikTok zu einem der Hauptsponsoren der Met Gala zu machen. Die Plattform ist seit Jahren in der Diskussion, weil darauf Jugendliche zu riskanten Wettbewerben animiert werden – und weil der Umgang mit den Nutzerdaten höchst fraglich ist und das Unternehmen angeblich die öffentliche Meinung manipuliert.

Gerade hat US-Präsident Joe Biden einen Gesetzesentwurf unterzeichnet, dass TikTok verkauft werden muss oder verboten wird. Der quasi frisch zum Staatsfeind erkorene CEO Shou Zi Chew gab mit seiner Frau ein interessantes Bild auf dem grünen Teppich ab. Auch hier sind Wintours Motive plausibel: TikTok ist als Plattform für junge Modefans unverzichtbar, der chinesische Markt in einer ziemlich angeschlagenen Luxusbranche ebenso. Trotzdem ist es, wie Kate Moss mal über die Heroinsucht ihres Boyfriends Pete Doherty gesagt hat: einfach kein guter Look.

NEW YORK, NEW YORK - MAY 06: Kylie Minogue attends The 2024 Met Gala Celebrating "Sleeping Beauties: Reawakening Fashion" at The Metropolitan Museum of Art on May 06, 2024 in New York City. Marleen Moise/Getty Images/AFP (Photo by Marleen Moise / GETTY IMAGES NORTH AMERICA / Getty Images via AFP)
Kylie Minogue
Quelle: Getty Images via AFP

Und das ist es eigentlich, was die Met Gala bereits seit einiger Zeit so altertümlich und hängen geblieben erscheinen lässt: Mit Riesenaufwand verkleiden sich Stars nach den Vorgaben der Zirkusdirektorin. Das Ergebnis ist oft spektakulär – wer möchte nicht neben einer Jennifer Lopez, die in einen Wirbelsturm aus Kristall gekleidet ist, seinen Champagner trinken? Oder auf dem Weg zum unvermeidlichen Toiletten-Selfie dem Schauspieler Josh O’Connor auf seine Blumenschuhe von Loewe treten? Oder auf die 14 Quadratmeter Tüll von Cari B.?

The Met Gala red carpet arrivals in New York City
Tyla in Sand
Quelle: REUTERS

Das treffendste Outfit aber trug die Sängerin Tyla: ein Sandkleid von Balmain. Anders aber als die Würmer in „Dune“ war sie darin nicht blitzschnell, sondern so unbeweglich, dass sie die Met-Treppe hochgetragen werden musste. Ein Sandwurm als Salzsäule? Bahnbrechend – und eine Metapher für kreative Erstarrung.

Mode, wie sie bei diesem Event interpretiert wird, ist ein geschwätziges Selbstgespräch. Die besten Stylisten und Designer der Welt zelebrieren an den schönsten Körpern der Welt den ganz großen Traum. Was hier gar nicht vorkommt: Mode, die neurotisch, neugierig und flink unsere Welt abtastet und in Kleider verwandelt. Aber vielleicht hat das auch seine Richtigkeit: Wir befinden uns schließlich in einem Museum.

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