Für gewöhnlich folgt auf einen ausgereizten Trend bald der Gegentrend. So zumindest die Hoffnung vieler Konsumenten, wenn es um die Omnipräsenz der „Influencer“ in der Werbelandschaft und auf Instagram geht. Hier geht es vielen Firmen mittlerweile mehr um Reichweite als um die Tatsache, dass die Marke zum „Influencer“ passt, geschweige denn, dass die Kooperation glaubwürdig beim Konsumenten ankommt.
Mittlerweile gibt es eine Kennzeichnungspflicht bei Social Media-Posts, für die eine Marke Geld gezahlt hat, damit das jeweilige Instagram- oder YouTube-Sternchen das Produkt im gewünschten Licht darstellt. Damit schwindet der schöne Schein der „Influencer“-Blase zwar etwas, aber dennoch sind die Social Media Feeds weiterhin oft mit plumpen und dilettantischen „Sponsored Posts“ und #Ads überhäuft.
Den Spieß einfach umzudrehen, das versucht die Modemarke s.Oliver in ihrer neuen Kampagne. Statt einfach nur den – sehr beliebten und damit auch für Social-Media-Reichweiten wertvollen – Joko Winterscheidt als Werbegesicht auszuwählen, nimmt sie nicht nur die Austauschbarkeit der von ihm beworbenen Produkte aufs Korn, sondern auch die fragwürdige Entwicklung der Branche. Winterscheidt ist dafür bekannt, dass er die Medienbranche gerne kritisiert, nicht zuletzt als er einen falschen Ryan Gosling bei der Goldenen Kamera einschleuste (#GoslingGate). Überraschend ist, dass eine solche Kampagne von s.Oliver initiiert wurde, wo auch oft klassische „Influencer“-Kooperationen an der Tagesordnung stehen.
Besonders ist auch, dass die Kollektion nicht in gewohnt perfekter Ausleuchtung zu sehen ist, sondern lediglich als gepixelte Montage auf das Werbegesicht gebastelt wird. Während Winterscheidt nicht nur über Lebensweisheiten sinniert, sondern sich auch (offensichtlich) die Markenbotschaften in den Mund legen lässt, bietet er auch bei schlechtem Wetter Rabatt für die Kooperation an. Alles in allem: eine sympathische Idee von s.Oliver.
Humor beiseite. Was bezweckt s.Oliver mit dieser neuen Selbstironie? Kann man so Kleidung verkaufen? Drei Fragen an Sandro Schramm, Director Marketing bei s.Oliver.
ICONIST: Was ist die Idee hinter dem neuartigen Werbekonzept?
Schramm: Für die Kampagne wollen wir als Modemarke neue Marketingwege gehen, die Aufmerksamkeit erregen. Wir möchten unsere Kunden überraschen, uns selbst nicht zu ernst nehmen und das Gegenteil davon tun, was man von uns erwartet.
ICONIST: Auch dass die Kollektion nicht mehr „real“ zu sehen ist, sondern mit Pixeln nachgeahmt wurde, ist ein unerwarteter Schritt. Hatten Sie keine Bedenken, dass es hier nicht mehr um das tatsächliche Produkt geht? Und die Leute eventuell nur den lustigen Clip mit Joko Winterscheidt anschauen, ohne dass die Kollektion Aufmerksamkeit bekommt?
Schramm: Genau über das Thema haben wir im Vorfeld intensiv diskutiert, da wir mit der Kampagne über Humor natürlich nicht nur Awareness- oder Imageziele für unsere Marke verfolgen, sondern selbstverständlich auch Polos und Schuhe verkaufen möchten. Daher stellen wir im Rahmen der Mediastrategie sicher, dass wir in den ersten Werbekontakten über die Spots und Boomerangs Aufmerksamkeit generieren. Wenn die User dann mit diesen Werbemitteln interagieren und Interesse an dem Thema haben, spielen wir nach und nach Werbemittel mit richtigen Produktbildern aus, sodass der Kunde die Produkte bestmöglich erkennen kann.
ICONIST: s.Oliver nimmt sich mit der neuen Kampagne selbst auf die Schippe, damit, dass „Influencer“ und ihre Markenpräsenz oft austauschbar sind. Woher kam dieser Mut? Denn auch bei Ihnen stehen derartige Kooperationen im Vordergrund.
Schramm: Influencer-Kampagnen werden bei uns auch weiterhin eine Komponente des Marketingmix sein, wenn diese zum jeweiligen Thema passen. In diesem Fall war das Ziel, die Produkte mit einer außergewöhnlichen Story aufzuladen. Das Besondere hier war, dass Joko und seine Kreativschmiede Florida Reklame selbst sehr stark in die Konzeption involviert waren, was für uns ein toller Mehrwert war. Wir haben uns einstimmig für dieses vielleicht mutige Konzept entschieden, weil es uns und vor allem auch Joko wichtig war, eine Joko-typische Kampagne umzusetzen. Weiterhin ist für uns heutzutage im Marketing die große Herausforderung, im Informations- und Werbeüberangebot aufzufallen. Aufmerksamkeit ist die neue Währung, die man über solch ironische Storys generieren kann.
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