ICONIST: Ihre erste Haute Couture-Kollektion für Dior ist ganz anders als die Prêt-à-Porter-Mode, die Sie im September gezeigt haben.
Maria Grazia Chiuri: Man kann in der Haute Couture nicht dieselbe Sprache wie bei Prêt-à-Porter sprechen. Bei Prêt-à-Porter geht es um den Augenblick, bei Haute Couture um Zeitlosigkeit. Sie haben auch verschiedene Zielgruppen. Ich hatte ein wenig Sorge, ob ich den Ton treffe, aber auch das Gefühl, dass ich es schaffen kann. Hinzu kam: Im Atelier von Dior sprechen alle Französisch.
Chiuris erste Prêt-à-porter-Kollektion für Dior haben wir hier besprochen.
ICONIST: Sprechen Sie Französisch?
Chiuri: Ich verstehe Französisch, spreche es aber nicht. In den zwei Monaten, in denen wir zusammengearbeitet haben, haben wir eine gemeinsame Sprache gefunden – hauptsächlich Englisch. Das Couture-Atelier hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder gewandelt: Zur Zeit von Christian Dior ging es dort sehr traditionell zu, mit John Galliano wurde die Inszenierung wichtiger, unter Raf Simons spielte Modernität eine große Rolle. Natürlich sind alle im Atelier sehr offen, aber wegen mir mussten sie sich erneut umstellen. Mir sind die italienischen Handwerkskünste sehr wichtig.
ICONIST: Wenn John Galliano für Inszenierung steht und Raf Simons für Modernität – wofür stehen Sie?
Chiuri: Ich sehe mich als Träumerin, die den Anspruch hat, dass Mode auch tragbar ist. Ich möchte meine Träume umsetzen, deshalb finden sich in der Kollektion einige 50er-Jahre-Silhouetten. Ein müheloser Stil mit Wolle, Chiffon, Falten – Dior steht ja für Falten.
ICONIST: Sie sagten, Sie haben sich in der Arbeit an der Kollektion regelrecht verloren.
Chiuri: Es war wie im Traum, ständig habe ich Neues entdeckt. Und ich habe das Gefühl, ich muss noch so viel über Dior lernen, damit habe ich gerade erst angefangen. Es ist unmöglich, die ganze Geschichte des Hauses in nur wenigen Monaten zu erfahren! Schritt für Schritt kommt etwas dazu, das mische ich dann mit meinen eigenen Ideen.
Alles über Maria Grazia Chiuris Wechsel von Valentino zu Dior lesen Sie hier.
ICONIST: Haben Sie sich daran gewöhnt, nicht mehr mit einem Partner zu entwerfen?
Chiuri: In der Mode arbeitet man immer in großen Teams, sonst könnte man das alles gar nicht realisieren. Für die Hüte habe ich mit Stephen Jones zusammengearbeitet, wir waren fast jeden Tag zusammen. Den Schmuck habe ich zusammen mit Claude Lalanne entworfen – dank ihr sind Kunstwerke entstanden! Mode dreht sich niemals nur um eine Person.
ICONIST: Erzählen Sie uns mehr über die wunderbaren Culottes in der Kollektion.
Chiuri: Man denkt, das seien Röcke, dabei sind es Hosen. Ich habe mich viel im Dior-Archiv umgesehen; Mister Dior hat in jeder Saison 200 neue Stücke entworfen – wenn man alle sehen will, braucht man Zeit.
ICONIST: Was möchten Sie dieser Geschichte hinzufügen?
Chiuri: Ich bin nach Paris gezogen und habe bei Dior angefangen, um etwas über die Kultur des Landes und der Marke zu lernen. Aber ich möchte mich auch einbringen: Dior steht für gut geschnittene Jacken und Mäntel, ich möchte dem etwas Leichtes dazugeben, besonders bei den Kleidern. Das ist ein Teil der italienischen Tradition, meiner Herkunft.
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