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Was macht einen guten Käse aus – und gibt es den im Supermarkt?

Ivan Larcher mit einem Laib Rohmilchkäse aus eigener Erzeugung Ivan Larcher mit einem Laib Rohmilchkäse aus eigener Erzeugung
Ivan Larcher mit einem Laib Rohmilchkäse aus eigener Erzeugung
Quelle: Penny Ryan Photography
Die meisten guten Rohmilchkäse werden viel zu früh gegessen, weiß der Franzose Ivan Larcher, er ist Käse-Consultant – und berät Landwirte und Affineure auf der ganzen Welt. Warum der beste Rohmilchkäse aus Frankreich kommt und die industrielle Milchwirtschaft ein Problem ist.
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Ein schwarzes Schaf ist ein Familienmitglied, das von der Norm abweicht. „Schwarzes Schaf“, so heißt auch ein Käse aus Schafsrohmilch, der zum Sortiment der Kärntner Hofkäserei Nuart gehört. Er wird in Meersalz und Holzasche gewälzt, bevor er für zehn Tage in die Reifekammer kommt. Zum Schutz vor dem Austrocknen landet er danach in einer Schachtel, in der Milliarden von Bakterien weiterhin ihre Arbeit verrichten. Je nach Reifegrad verändert das Erzeugnis seinen Geschmack: Zunächst präsentiert es sich als beinahe schnittfester, süßlich-herber Frischkäse, bis es nach einiger Zeit buchstäblich über den Teller rinnt, und die würzigen Aromen dominieren.

Bei der Entwicklung des „Scharzen Schafs“ hat sich die Familie Nuart die Unterstützung von Ivan Larcher geholt, einem Franzosen, der sich als „Raw Milk Cheese Consultant“ bezeichnet und es sich zu Aufgabe gemacht hat, unabhängige Landwirte und kleine Betriebe bei der Herstellung von Käsesorten zu beraten, die einen unverwechselbaren Charakter haben. Dafür reist er um die ganze Welt, seine Kunden sitzen unter anderem in Norwegen, Spanien und Slowenien, aber auch in den USA, in Brasilien und Australien, seiner Wahlheimat.

Bei einem Workshop am Ossiacher See in Kärnten hält Larcher einen Vortrag vor Spitzenköchen und Erzeugern. Bei seinem Auftritt tänzelt er mit einem angemessenen Genießer-Bäuchlein auf die Bühne, seine Präsentation ist oscarreif, obwohl er sperrige Themen behandelt: Es geht um die ph-Werte der Milch, um die richtigen Temperaturen bei der Käseherstellung und um anderes Fachwissen. Den anwesenden Käsemachern empfiehlt er, sich mit Rohmilchkäse von der Konkurrenz abzusetzen: „Wenn alle Käsesorten gleich schmecken“, erklärt er, „bleibt am Markt nur der Preiswettbewerb, und den können kleine Hersteller unmöglich gewinnen.“

Unerschöpfliches Potenzial

Bei einem Gespräch im Anschluss an sein Referat bleibt er bei seinem Lieblingsthema. „Rohmilch hat viele Vorzüge“, sagt der Käse-Consultant. „Einer davon ist ihre Vielfalt.“ Die industrielle Milchwirtschaft ist ihm dagegen ein Dorn im Auge. „Die Industrie konzentriert sich darauf, ein standardisiertes Produkt in großen Mengen herzustellen. Stattdessen sollten die Qualität und die Individualität der Milch im Mittelpunkt stehen – auch im Hinblick auf die Eigenschaften der Käse, die aus der Milch gemacht werden.“ Das Problem fange schon in der Ausbildung an, fügt Larcher hinzu. „Auch in den landwirtschaftlichen Schulen geht es nur ums Volumen und nicht um die Güte.“ In seinen Augen ist Milch kein Getränk, sondern ein Grundstoff für hochwertige Lebensmittel. Sein Credo: Aus mittelmäßiger Milch kann niemals guter Käse werden.

Larcher selbst studierte Lebensmitteltechnologie im Westen Frankreichs, arbeitete im Vertrieb einer Firma, die auf Milchprodukte und Fermentation spezialisiert war. Er betreute die Kundschaft in Asien. Mitte der 2000er-Jahre fing er an, seinen eigenen Rohmilchkäse zu produzieren und auf den Wochenmärkten in seiner Umgebung zu verkaufen, bevor er mit seiner Frau Julie nach Australien übersiedelte. In Castlemaine, einem 120 Kilometer nordwestlich von Melbourne gelegenem Städtchen, betreiben die beiden eine kleine Käserei mit angeschlossener Akademie, in der Profis und Laien in die Geheimnisse der Herstellung von Rohmilchkäse eingeweiht werden.

Comeback des sorgfältig kuratierten Käsewagens

Von entscheidender Bedeutung sind dabei die Mikroorganismen, die sich unter anderem im Euter einer Kuh ansiedeln. Beim Käse aus pasteurisierter Milch werden sie durch das Erhitzen der Flüssigkeit abgetötet. Dabei unterscheidet sich das sogenannte Mikrobiom, also die Gesamtheit der Mikroorganismen im Körper eines Lebewesens, je nach Genetik, Ernährung und Haltungsbedingungen von Tier zu Tier. „Aus der Rohmilch wird man die Herkunft von einem bestimmten Bauernhof vermutlich kaum herausschmecken können“, erklärt Larcher.

„Wir wissen aber, dass die Mikrobiome von Farm zu Farm variieren.“ Er fügt hinzu: „Bei der Herstellung von Rohmilchkäse erlaubt man den Bakterien, sich zu entwickeln, ihren Charakter zu entfalten.“ Im Aroma eines Käses manifestiert sich also das Terroir der Rohmilch. Das funktioniert aber nur, solange der Käsemacher nicht das Köfferchen mit kommerziellen Käsekulturen öffnet. „Wenn man kommerziell gehandelte Bakterien in den Käse gibt, nimmt man ihm seine Einzigartigkeit“, sagt Larcher. „Dann kann man sich das Käsemachen auch sparen.“

Handwerkliches Geschick

Was die einzelnen Arbeitsschritte betreffe, laufe die Käseherstellung aus Rohmilch und pasteurisierter Milch ähnlich ab, erklärt der Kärtner Käsemacher Michael Kerschbaumer, einer der Teilnehmer des Workshops am Ossiacher See. Auf seinem Hof in den Nockbergen macht er aus frisch gemolkener Milch Butterkäse, Emmentaler und einen Bergkäse, den er mindestens sechs Monate lang reifen lässt. „Beim Rohmilchkäse erfordert die Führung der Bakterienkultur aber mehr Behutsamkeit, weil das Ausgangsprodukt weniger lange haltbar ist“, sagt er.

Das Timing sei wichtiger, mitunter komme es auf Minuten an. Zudem brächten Ziegen-, Schaf- und Kuhmilch jeweils eigene Anforderungen an das handwerkliche Fingerspitzengefühl. „Auf einer Almwirtschaft arbeitet der Käser mit allen Sinnen“, sagt Kerschbaumer. „Er muss riechen, sehen, fühlen.“ Mit diesem auf viel Erfahrung basierenden Einfühlen in das Wesen der Rohmilch kann die Käseindustrie nicht aufwarten. Sie kann sich keine Abweichungen leisten.

Eine Offenbarung in Teigwürstchen-Form
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Ivan Larcher beneidet die Bayern, die Österreicher, die Schweizer und Südtiroler um ihre Almen und die klein strukturierte Landwirtschaft da oben. In Australien kann er davon nur träumen. „Die Lebensqualität der Kühe und Schafe in der Höhe ist viel größer als in der Ebene, das wirkt sich auch auf die Milch aus.“ Die besten Rohmilchkäse kämen allerdings aus kleinen Käsereien in Frankreich, wo das traditionelle Handwerk hochgehalten werde. Auch die Sache mit der Reifung ist ihm zufolge etwas, das außerhalb Frankreichs nur wenige verstehen. „Guter Käse ist wie guter Wein“, sagt Larcher. „Er ist niemals fertig, sein Geschmack entwickelt sich mit der Zeit immer weiter“. Und so wie gute Weine oft zu jung getrunken werden, noch bevor sich ihr volles Potenzial entfaltet haben, wird auch guter Rohmilchkäse meist zu früh gegessen.

Für Supermarktregale seien solche Spezialitäten aus individuellen Starterkulturen kaum geeignet, fährt Larcher fort: „Der Einzelhandel möchte Käse, der immer gleich schmeckt.“ Bei internationalen Küchenchefs und regionalen Herstellern dagegen ist das Interesse an den Eigenheiten von Rohmilchkäse groß. Man hat Larcher auch schon angeboten, in Österreich eine Käseschule nach australischem Vorbild zu eröffnen. Schaden würde eine solche Einrichtung sicher nicht. Käsemacher vom Format eines Michael Kerschbaumer oder der Familie Nuart mit ihrem „Schwarzen Schaf“ findet man außerhalb Frankreichs immer noch viel zu selten.

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