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  4. Weinbau: Rebellin aus Italien – Anfangs belächelt, nun Vorbild der Naturwein-Szene

Essen & Trinken Weinrebellin aus Sizilien

Anfangs belächelt, heute Vorbild der Naturwein-Bewegung

Strenger, aber eleganter Stil: Arianna Occhipinti in ihrer Kelterei Strenger, aber eleganter Stil: Arianna Occhipinti in ihrer Kelterei
Strenger, aber eleganter Stil: Arianna Occhipinti in ihrer Kelterei
Quelle: © Georges Desrues
Als Arianna Occhipinti vor 20 Jahren damit begann, sich dem Weinbau zu widmen, galt ihr Stil als revolutionär. Inzwischen ist aus der eigenwilligen Jungwinzerin eine erfolgreiche Unternehmerin geworden, die sich über vieles ärgert, was in ihrer Branche schiefläuft.

Grußlos und sichtlich verärgert platzt Arianna Occhipinti in den Verkostungsraum, schnappt sich eine Flasche ihres eigenen Weines, schenkt sich ein Glas ein, schwenkt es und riecht daran. „Die sind doch alle ahnungslos“, sagt sie, bevor sie einen Schluck nimmt, ihn kurz im Mund behält und mit ihren großen, dunklen Augen die eingeschüchterten Besucher mustert, als würde sie deren Anwesenheit gerade erst wahrnehmen.

Was das Blut der Sizilianerin so in Wallung brachte, war die Kommission, die alljährlich über die Vergabe eines Qualitätssiegels im Weinbaugebiet rund um die Stadt Vittoria entscheidet – und dieses Mal die eingereichte Weinprobe für nicht würdig erachtete. „Er würde das Terroir nicht typisch genug widerspiegeln, behaupten sie – dabei ist mein Wein dieses Terroir!“, sagt sie, spürbar bemüht, ihr Temperament zu zügeln.

Tatsächlich hat Occhipinti bislang für jeden Jahrgang dieses DOCG-Siegel (Denominazione di Origine Controllata e Garantita – kontrollierte und garantierte Herkunftsbezeichnung) erhalten, und zwar bereits für ihren allerersten Wein. Das ist nun bald zwei Jahrzehnte her, da war sie gerade 22. Inzwischen ist aus der etwas schüchternen und zugleich rebellischen Jungwinzerin von damals eine selbstbewusste Unternehmerin geworden. Und aus einem Hektar Weingarten, den sie einst auspflanzte, eine Domäne von 32 Hektar Rebfläche.

Vorsichtig fragt man, ob das Fehlen des Qualitätssiegels denn eine so wichtige Rolle spiele – immerhin sei der Name Occhipinti in der ganzen Welt bekannter und prestigereicher als diese DOCG Cerasuolo di Vittoria („cerasuolo“ bedeutet wortwörtlich kirschrot), die man ihr zu verwehren gedenkt. Das Kompliment scheint die Winzerin zu besänftigen. „Mag sein“, sagt sie und riecht noch einmal am Wein, „aber ich habe sie bislang immer erhalten, es ist die einzige DOCG in Sizilien, und der ‚Grotte Alte‘ trägt sie als einziger meiner Weine. Also will ich sie auch diesmal haben.“ Sie zuckt mit den Schultern und nimmt noch einen Schluck.

Die Besucher tun es ihr gleich. Besagter Grotte Alte ist eine Cuvée aus den autochthonen Rotweinsorten Frappato und Nero d’Avola. Er schmeckt puristisch und intensiv zugleich, ein wenig nach frischen Beeren, aber auch nach mediterranen Kräutern und Gräsern, schlank und ausbalanciert im Mund, mit elegant weichem und zugleich langem Abgang. Vielen gilt er als repräsentativ für Occhipintis strengen wie eleganten Stil.

Weinlese bei brütender Hitze

Es ist Ende September, ein heißer sizilianischer Sommer scheint kein Ende zu nehmen. In den Weingärten rund um das Gut ist die Lese in vollem Gange. Erntearbeiter ziehen bei brütender Hitze durch die Rebzeilen und schneiden per Hand die Trauben von den Stöcken. Wein spielt nicht die Hauptrolle in dieser landwirtschaftlich geprägten, eher flachen Gegend. Seit den 1970er-Jahren spezialisiert man sich auf den Anbau von Orangen, Weizen, Oliven und Tomaten, und so erstreckt sich in diesem südlichsten Winkel Europas und unweit von Occhipintis Weingut ein scheinbar endloses Meer aus Folientunneln.

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Als die Sizilianerin nach dem Önologiestudium aus Mailand in ihre Heimat zurückkehrte, um es als Winzerin zu versuchen, wurde sie von ihren Landsleuten belächelt. Doch bald schon stieg sie zu einer Leitfigur der damals gerade entstehenden Naturwein-Szene auf. In ihren Weingärten arbeitet sie nach biodynamischen Richtlinien, verzichtet auf Chemikalien, auf zugesetzte Hefen und weitestgehend auf Schwefelzusatz. Aber vor allem auf Bewässerung.

All das galt damals als revolutionär. „Vor 20 Jahren erschien es mir als dringende Notwendigkeit, die Dinge anders zu machen“, erzählt sie. „Damals drohte eine Technologisierung und Standardisierung der Weine – alles auf Kosten der Umwelt. Ich hatte das Gefühl, etwas tun zu müssen, um der Entwicklung Einhalt zu bieten.“ Inzwischen sei die Weinwelt eine andere, der Trend hin zu üppigen, mit viel Kellertechnik, Chemie und Zusätzen erzeugten Weinen vorbei.

Arianna Occhipinti in ihrem Weingarten
Arianna Occhipinti in ihrem Weingarten
Quelle: © Georges Desrues

Stattdessen drohten neue Gefahren. „Biodynamik und Naturbelassenheit werden immer öfter zum Verkaufsargument“, beklagt Occhipinti. „Dabei wird viel Schindluder betrieben, auch finden sich heute etliche Weine, die naturnah erzeugt, aber fehlerhaft sind.“ Guter Wille allein reiche nicht, um ohne Hilfsmittel saubere und tadellose Weine zu erzeugen, zumal der Klimawandel gerade in Sizilien die Arbeit zusätzlich erschwert.

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Auf Bewässerung umsteigen will die Winzerin dennoch nicht. „Ich hoffe, dass es niemals dazu kommt“, sagt sie. „Die Frische und die Mineralität meiner Weine kommen aus der Tiefe des Bodens. Wenn man die Reben bewässert, dringen ihre Wurzeln nicht so tief ins Erdreich ein. Weine von solchen Reben haben dann diese gekochte und üppige Note, wie man sie in heißen Gebieten erwartet. Aber genau das will ich ja vermeiden.“

Bedrohliche Trockenheit

Eines Tages werde sie vielleicht umdenken müssen, in der Zwischenzeit bemühe sie sich, dazuzulernen, ihre Reben zu beobachten und zu verstehen, wie sie auf die Veränderung des Klimas reagierten. „Diese Saison hatten wir ungewöhnlich viel Regen im Frühjahr und Frühsommer. Im vorigen Jahr hat es dagegen kaum geregnet, die Trockenheit war bedrohlich.“

Aus dem vergangenen Jahr stammt auch der Wein, dem die Kommission nicht die Gebietsbezeichnung erteilen will. „Sie gehen einfach von der falschen Prämisse aus, nämlich dass der Wein jedes Jahr dieselben Eigenschaften aufweisen muss“, sagt Occhipinti. „Aber wenn man so arbeitet wie ich, dann ist das anders, weil eben jedes Jahr anders ist.“ Dann nimmt sie noch einen Schluck und lädt zum Mitarbeiter-Mittagessen ein.

Es gibt Pasta con leticchie, eine Art dicke Linsensuppe mit Nudeln. Die Zutaten stammen aus eigener Produktion, beim Pasta-Weizen handelt es sich um eine alte Sorte namens Tumminia, die besonders gut angepasst sein soll an das lokale Klima. Vor einigen Jahren hat die Winzerin ihr Weingut um einen Agrarbetrieb erweitert, baut Zitrusfrüchte und Oliven an, erzeugt Marmeladen und Konfitüren. „Ohne diese Vielfalt an Kulturen und ohne die Insekten und Tiere, die davon angezogen werden, wäre mein Wein nicht derselbe“, sagt sie.

Nach dem Essen beginnt es plötzlich zu schütten. Ein Platzregen ergießt sich über die Reben und die Felder rund ums Weingut. Occhipinti blickt nachdenklich aus dem Fenster und nippt an ihrem Espresso. Dann stellt sie die Tasse ab und verkündet, dass sie sich das Urteil nicht gefallen lasse und Berufung einlegen werde. Die Kommission müsse den Wein einfach noch einmal probieren. „Wäre doch gelacht“, sagt sie, bevor sie grußlos durch die Türe schießt.

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