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Was macht Champagner so besonders?

Textchef ICON / Welt am Sonntag
Auf diesen sonnenbeschienenen Hügeln reifen die Trauben, aus denen der berühmten Champagner entsteht Auf diesen sonnenbeschienenen Hügeln reifen die Trauben, aus denen der berühmten Champagner entsteht
Auf diesen sonnenbeschienenen Hügeln reifen die Trauben, aus denen der berühmten Champagner entsteht
Quelle: Pascal Montary
Stimmt es, dass man von Champagner keinen Kater bekommt? Wie ist der Jahrgang 2019? Geht es beim Trinken eher um den Geschmack oder das Erlebnis? Bei einem Besuch in der Champagne klärten wir all diese Fragen.

Als der Schweiß von der Stirn ins Auge läuft, die Brillengläser beschlagen und die rechte Hand mit der Schere statt der Trauben beinahe den linken Daumen abschneidet, bewahrheitet sich ein Satz, der den Besucher des Weinguts schon seit seiner Kindheit nervt: Qualität kommt von Qual. Einst hatte ein Lehrer dem Erntehelfer diese goldenen Worte mit auf den Weg gegeben, als er grinsend eine Fünf minus präsentierte, auch ein Küchenchef brüllte den Sinnspruch, als sein Blick auf eine vermurkste Schalottenbutter fiel. Hier und heute aber, mitten in den Weinstöcken der Champagne, braucht die Worte niemand auszusprechen, sie kommen einem von allein in den Sinn.

Es ist ein spezielles Event, zu dem Dom Pérignon in seine Heimat in der Nähe von Reims eingeladen hat. Oft genug begnügen sich Hersteller edler Getränke damit, ein Tasting abzuhalten, bei dem die Gäste jede Geschmacksnuance auf der Zunge mit einer Wut diskutieren, die Außenstehende vor dem Hintergrund etwas verwirrt, dass garantiert kein Genuss dabei im Spiel ist. Doch die berühmte Marke, die bereits 1648 gegründet wurde, setzt auf ein anderes System: Am letzten Tag der Ernte kommen Freunde des Hauses und Journalisten zusammen, um erst gemeinsam in die Weinstöcke zu gehen und danach bei ein paar Gläschen zu plaudern und dazu einen exquisiten Happen Kalbsragout zu essen.

Champagner trinkt man am besten in der Champagne

Der Tag meint es gut mit den Anwesenden. Die Sonne spendet der ohnehin lieblichen Landschaft weiches Licht, Teile der Gesellschaft sind noch vom Abend zuvor fröhlich angetütert, das Dinner blieb dem Vernehmen nach alles andere als trocken. Ein Bewusstseinszustand, der lehrt: Bei einem sachgerechten Champagner-Schwips ist die Gefahr gering, mit einem Kater aufzuwachen. Bevor der Ernteeinsatz startet, hält Philippe Schaus, der CEO von Dom Pérignons Mutterkonzern Moët Hennessy, eine kleine Rede: Es freue ihn, einen so schönen Tag erwischt zu haben, und er hoffe, dass die Zeit in den Weinstöcken den Anwesenden sein Haus näherbringe.

Harmonischer, als es klingt

Während der Arbeit, bei der vorwiegend Pinot-noir-Trauben im Körbchen landen, lernen sich die Erntehelfer besser kennen. Da ist das New Yorker Männerpaar, beide jenseits der 50, einer im Bau- und einer im Investmentgeschäft, das die ganze Zeit gut hörbar Gags auf eigene Kosten reißt, und den CEO wissen lässt, dass die Schufterei dafür gut sein sollte, hinterher ein paar besonders edle Tropfen probieren zu dürfen; da ist das chinesische Paar, bei dem sie und er jeweils eine achteckige Schweizer Stahluhr im Wert eines Sportwagens am Arm tragen. Er lebt für ein Jahr in Paris, um über Wein zu lernen, und schwört, einen Champagner-Experten zu kennen, der von jeder Flasche, die je gemacht wurde, nicht nur den Hersteller und das Jahr, sondern auch die Lage und das Wetter bestimmen kann. Und da ist das Londoner Pärchen mit Wurzeln in Hongkong – sie kann tatsächlich über deutsche Weine Geschichten erzählen, die selbst Kenner hierzulande verblüffen dürften.

Das hübsche Anwesen liegt in der Nähe von Reims
Das hübsche Anwesen liegt in der Nähe von Reims
Quelle: James Bort

Auch Philippe Schaus – sein Korb füllt sich am schnellsten – ist in Redelaune. Er erzählt, dass sich viele junge Leute aus der Region als Erntehelfer verdingen, drei Wochen extrem hart arbeiten und dann eine ganze Zeit davon bequem leben könnten. Maschinen kommen bei seinem Unternehmen nicht zum Einsatz. Das Bekenntnis zur Qualität reicht bei Dom Pérignon so weit, dass in Jahren, in denen die Güte der Trauben nicht den Erwartungen entspricht, kein Champagner produziert wird. Viele hier wussten das vorher nicht – und müssen die Information nun mit offenem Mund sacken lassen.

Der Jahrgang 2019 allerdings wird sich dereinst in den Regalen finden. Was die Sache allerdings zunehmend verkompliziert, ist der Klimawandel. Temperaturen sind kaum noch zu prognostizieren, häufig reifen die Trauben heutzutage erst sehr lange nicht, um dann in wenigen Tagen zur Erntereife zu gelangen. Es ist schwierig, sich darauf einzustellen.

Auch hiermit lässt es sich anstoßen

Der Gärungsprozess wird im Haus dann wissenschaftlich bis ins letzte Atom analysiert – doch auch das reicht nicht, um das Getränk zu dem zu machen, was der Name hält. Dazu brauche es die Erfahrung und das Bauchgefühl der Kellermeister, sagt Philippe Schaus und blickt kurz zu Boden. Eine Geste des Respekts vor den Leuten, die sein Produkt exklusiv machen.

Kurz darauf sind die Besucher von der Arbeit erlöst. Die Gruppe schlendert aufs Hauptquartier zu, wo der Kellermeister Vincent Chaperon und zwei Reihen Stehtische warten. Zum Probieren gibt’s einen Vintage von 2008 aus der Magnumflasche und einen Vintage von 2002.

Auf ein Gläschen Dom Pérignon mit Kellermeister Vincent Chaperon: Wer das erlebt hat, weiß, was die Champagne zum Sehnsuchtsort macht
Auf ein Gläschen Dom Pérignon mit Kellermeister Vincent Chaperon: Wer das erlebt hat, weiß, was die Champagne zum Sehnsuchtsort macht
Quelle: Harold de Puymorin

Man könnte hier jetzt Vergleiche der Aromen anstellen und darüber philosophieren, wie sie mit dem Wetter der Jahre zusammenhängen. Aber das wäre witzlos: Denn beide Champagner liegen wundervoll im Mund und die Tatsache, vorher körperlich gearbeitet zu haben, trägt nur noch mehr dazu bei, schon nach dem ersten Nippen ganz knapp über dem Boden zu schweben. Das Leben, das Universum und der ganze Rest befinden sich für einen Moment in Harmonie – und selbst die Einsicht, dass Qualität von Qual kommt, ergibt plötzlich einen ganz neuen Sinn.

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