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Zweiter Weltkrieg Obersalzberg

Wir fahren jetzt Führer-Gucken

Der Bayerische Rundfunk zeigt eine Dokumentation über „Hitler und die Kinder vom Obersalzberg“. Die Produktion ist viel mehr, als der Titel andeutet: ein richtig guter Film über den Mythos „Berghof“.
Leitender Redakteur Geschichte
Hitler und die Kinder von Obersalzberg

Die Dokumentation „Kinder vom Obersalzberg“ ermöglicht kaum bekannte Einblicke in das Leben in Hitlers „Führersperrgebiet“. Gezeigt werden auch die bislang weniger bekannten Dimensionen des Berghofes.

Quelle: Bayerischer Rundfunk

Autoplay

Mächtig ragt der Untersberg in die Höhe, bis auf fast 2000 Meter. Idyllisch schmiegt sich Berchtesgaden zu seinen Füßen ins Tal, auf den sanft ansteigenden Weiden über der Stadt steht ein Wäldchen neben dem anderen. Ein paar Häuser gibt es noch und ein großes, hochmodernes Hotel.

Nichts aber deutet mehr darauf hin, dass hier zwischen 1933 und 1944 immerhin für insgesamt 1044 Tage der Mittelpunkt Deutschlands lag, wie der Coburger Privatforscher Harald Sandner im Rahmen seines Itinerars von Hitler dokumentiert hat.

Berghof das Landhaus Adolf Hitlers am Obersalzberg.© ORF, honorarfrei - Veröffentlichung für Pressezwecke ausschließlich im Zusammenhang mit o. g. Sendung bei Nennung ¿Bild: ORF¿. Anderweitige Verwendung honorarpflichtig und nur nach schriftlicher Genehmigung der ORF-Fotoredaktion. Copyright: ORF, Würzburggasse 30, A-1136 Wien, Tel. +43-(0)1-87878-13606
Der riesige "Berghof " auf dem Obersalzberg – eine spektakuläre Anlage mit grandiosem Ausblick
Quelle: Bayerische Staatsbibliothek Mu?nchen

Nämlich immer dann, wenn der „Führer“ in seiner Alpenresidenz weilte, dem „Berghof“. Seinem liebsten Refugium. Hier verbrachte er 23 Prozent seiner Amtszeit; in den letzten vier Monaten seines Lebens 1945 konnte er es nicht mehr aufsuchen – er hatte den Obersalzberg am 14. Juli 1944 für immer verlassen.

Und doch ist er, fast 73 Jahre später, immer noch präsent. Nämlich in den Erinnerungen von Menschen – jener, die hier gelebt haben, als kleine Kinder, und die sich an die Fassade der Propaganda erinnern, zu der sie damals gehörten. Und jener, die sich heute noch blenden lassen von sorgfältig inszenierten Fotografien. Ihre Zahl ist unvergleichlich viel größer. Vor allem an sie richtet sich eine hervorragende Dokumentation, die der Salzburger Regisseur Robert Altenburger als österreichisch-bayerische Koproduktion gedreht hat.

Dabei ist der Film, den jetzt das Bayerische Fernsehen ausstrahlt, viel mehr als nur eine Spurensuche nach damaligen Kindern aus der Region, die heute noch Erinnerungen an Hitler berichten können. Altenburger nutzt den zutreffend beschriebenen Kontrast zwischen der äußerlich tatsächlich heil scheinenden Welt im äußersten Südosten Bayerns und der Wirklichkeit des Dritten Reiches. „Der Nationalsozialismus versteht die Berge auch als ideologische Machtsymbole“, heißt es in der Dokumentation treffend: „So verbindet sich Höhenwahn mit Größenwahn, Biologismus mit Rassismus.“

Ideale Bedingungen also, um das angeblich „neue“, das Deutschland Adolf Hitlers zu inszenieren. Genau das geschah, genau daran können sich auch fast acht Jahrzehnte später einige Zeitzeugen erinnern. „Ich war ein glückliches, privilegiertes Kind“, erzählt etwa die 81-jährige Marga Benkert, die als Tochter des Oberbaumeisters des „Berghofes“ zu den „Kindern vom Obersalzberg“ gehörte: „Durch den Status meines Vaters ging es uns nicht schlecht.“

Allerdings vor allem dann, wenn Hitler nicht in den Alpen weilte. Mit Entspannung und Idylle war es nämlich schnell vorbei, sobald der „Führer“ anreiste. Marga Benkert kann sich erinnern, dass sie selbst als kleines Mädchen mit am Straßenrand stehen muste, wenn „der Adolf“ in seinem offenen Wagen ankam. Einmal kam Hitler auch zu Fuß auf sie zu, nahm sie hoch und sagte: „Du schönes, deutsches arisches Kind.“ Marga wusste natürlich überhaupt nicht, was das bedeutete.

Zeitzeuge Gerhard Bartels am Hintersee.© ORF, honorarfrei - Veröffentlichung für Pressezwecke ausschließlich im Zusammenhang mit o. g. Sendung bei Nennung ¿Bild: ORF¿. Anderweitige Verwendung honorarpflichtig und nur nach schriftlicher Genehmigung der ORF-Fotoredaktion. Copyright: ORF, Würzburggasse 30, A-1136 Wien, Tel. +43-(0)1-87878-13606
Gerhard Bartels sagte als klener Junge zu Hitler "Grüß Gott" statt "Heil, mein Führer"
Quelle: ORF

So wenig wie andere Kinder. Gerhard Bartels etwa, Jahrgang 1932, erinnert sich an eine Begegnung mit Hitler. Das ziemlich braune Kindermädchen der Familie hatte dem kleinen Jungen eingetrichtert, bei einer Begegnung unbedingt mit „Heil, mein Führer“ zu grüßen. Doch Gerhard war so aufgeregt, dass er „Grüß Gott“ sagte; das Mädchen beschimpfte ihn dafür. Als er gefragt wurde, was denn der „Führer“ zu ihm gesagt habe, antwortete der Junge: „Nix Gscheits!“ Kindermund tut Wahrheit kund.

Hitler selbst waren Kinder gleichgültig. Denn er ließ sich zwar gern von seinem Hoffotografen Heinrich Hoffmann und dessen Angestellten, darunter auch Eva Braun, mit ihnen ablichten. Doch etwas anfangen konnte er mit Mädchen und Jungs nicht, wie Rupert Zückert berichtet.

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Der Junge aus Salzburg gehörte mit seinen Eltern einer jener „Wallfahrten im Gleichschritt“ an, die nach dem „Anschluss“ Österreichs im März 1938 zum „Führer-Gucken“ auf den Obersalzberg pilgerten. „Da erschien der Hitler und ist heruntergekommen und hat zwei Kinder mitgenommen, die gingen mit ihm hinauf“ zum „Berghof“.

Eines der Kinder war zufällig der damals siebenjährige Rupert Zückert: „Wir sind da hinaufgegangen, begleitet durch den Hitler“, erinnert er sich: „Wie man da verschwunden war, hat sich der Hitler verabschiedet.“ Die Kinder bekamen von einer Angestellten einen Teller Erdbeeren mit Sahne. „Ich wurde auch gefragt: ,Du, Rupi, was hat denn der Hitler geredet mit dir?‘ Da habe ich g’sagt: ,Na, mit uns hat er überhaupt nix g’redt.‘“

Propagandistisch verbreitet wurde ein völlig anderes Bild: Hitler als kinderlieber, interessierter Privatmann, als „Kümmerer“. Ein Mythos, der bis heute nachwirkt, der aber nie etwas anderes war als eine Fiktion.

Wie der gesamte Obersalzberg. Denn während angeblich der „Führer“ alle Ausbauten aus eigener Tasche bezahlte, aus den Honoraren für „Mein Kampf“, wurden in Wirklichkeit zweistellige Millionenbeträge für den Ausbau eines Nebensitzes der Regierung aus der Steuerkasse bezahlt.

Und selbst der schöne Schein beruhte auf Druck und Ausbeutung. Martin Bormann, neben anderen Funktionen auch der Beauftragte für den Obersalzberg, sorgte erst mit sanftem Druck, bald aber schon mit rabiaten Drohungen dafür, dass die Bewohner des gleichnamigen Dorfes verkauften und wegzogen. Ihre Häuser wurden abgerissen und schufen so erst den Eindruck des – bis auf die Residenz – unberührten Ortes.

Im Weltkrieg war die Konfrontation von Wirklichkeit mit Fassade noch größer: Im Inneren des Berges mussten zeitweise bis zu 6000 Zwangsarbeiter Kavernen für Bunkergänge aushöhlen. Robert Altenburger gelingt es, den Mythos zu dekonstruieren – unterstützt von Axel Drecoll, dem Leiter der sehenswerten Dokumentation auf dem Obersalzberg. Sie wird in den kommenden Jahren deutlich ausgebaut. Die österreichisch-bayerische Koproduktion ist eine ideale Einführung.

„Hitler und die Kinder vom Obersalzberg“, 10. April 2017, 20.15 Uhr im Bayerischen Fernsehen

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