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Zweiter Weltkrieg Geschichtsfernsehen

Die ARD würdigt den blinden Judenretter Otto Weidt

Ein beeindruckendes Dokumentarspiel erinnert an den Bürstenfabrikanten, der in seiner Werkstätte in Berlin Dutzende Juden zu schützen versuchte und einige vor dem Rassenwahn der Nazis retten konnte.

Es ist Sommer 1944, als auf den Gleisen irgendwo zwischen Theresienstadt und Auschwitz eine Postkarte liegt. Sie ist aus einem Transportzug auf dem Weg in das größte KZ geworfen worden. Die Postkarte ist ordentlich adressiert, aber nicht frankiert. Der Empfänger werde Strafporto bezahlen, steht darauf.

Es handelt sich um den Hilferuf einer jungen Frau, die mit ihren Eltern in das Vernichtungslager deportiert wird. Tatsächlich findet jemand die Karte und steckt sie in einen Briefkasten. Und tatsächlich erreicht sie kurze Zeit später ihren Adressanten: Otto Weidt, einen kleiner Fabrikant von Bürsten- und Besen in Berlin.

Sofort bricht Weidt auf, um Alice Licht – so heißt die junge Frau – zu helfen. Er fährt nach Auschwitz, doch sie ist schon in ein anderes KZ weitertransportiert, ihre Eltern sind in den Gaskammern ermordet worden. Weidt kann Kontakt mit Alice aufnehmen, ihr eine Anlaufstelle für die geplante Flucht organisieren. Im Januar 1945 entkommt die 28-Jährige, taucht im vorbereiteten Versteck unter und schlägt sich nach Berlin durch, wo Otto Weidt sie vor weiteren Verfolgungen versteckt.

Eine wahre Geschichte

Die Geschichte klingt unglaublich, aber sie ist wahr. Was vor fast siebzig Jahren geschah, erzählt das Dokumentarspiel „Ein blinder Held – die Liebe des Otto Weidt“, das die ARD am Montag um 21.45 Uhr ausstrahlt. Es ist die Erinnerung an einen mutigen Mann, der Jahrzehnte später, lange nach seinem Tod 1947, in der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ geehrt wurde.

Die Anregung zu diesem Film gab der Kameramann Jan Kerhart. Der Produzent Matthias Martens und Sandra Maischberger haben sich dann daran gemacht, das Projekt zu realisieren. Mit der Journalistin und Schriftstellerin Inge Deutschkron fanden sie die letzte noch lebende Zeitzeugin, die bei Otto Weidt gearbeitet hat. Ohne seine Hilfen hätten sie und ihre Mutter kaum überlebt.

Um Inge Deutschkrons Erzählung gruppierten die Drehbuchautoren Heike Brückner, Jochen von Grumbkow und Regisseur Kai Christiansen Spielszenen, die das Geschehen lebendig machen, und Dokumentaraufnahmen, die das Leben im Berlin jener Jahre zeigen und Eindrücke vom Lager in Auschwitz. Sie sind gekonnt in die Spielszenen eingeschnitten, so dass sie die Dramatik der Ereignisse verstärken. Manchmal nimmt der Zuschauer den Wechsel von der Spielszene zur Dokumentaraufnahme erst mit Verzögerung wahr.

Eine Lebensaufgabe

Nach dem Ende des NS-Regimes lebte Inge Deutschkron zunächst in London, dann zeitweise wieder in Berlin und Bonn, ab 1972 in Tel Aviv. 2001 kehrte sie dauerhaft in die Stadt ihrer Jugend zurück. Zu diesem Entschluss hätten sie Schüler bewogen, die sie drängten, ihnen mehr von ihrem Leben während der Nazizeit zu erzählen. Das Interesse sei so groß, dass sie dies zu ihrer Lebensaufgabe gemacht habe, erzählt die alte Dame. Der Film über Otto Weidt gebe „nächsten Generationen das Verständnis und die Kraft“, gegen „Gewalt und Terror in ihrem Land aufzustehen“.

Obwohl in der früheren Blindenwerkstatt seit einigen Jahren eine Gedenkstätte für die „stillen Helden“ und für Otto Weidt gibt, ist er noch wenig bekannt. Vielleicht ändert sich das jetzt: Der bekannte Schauspieler Edgar Selge gibt der Titelfigur Gestalt. Er verkörpert den blinden Mann mit großer Intensität. Selge hat viel Erfahrung mit der Verkörperung von Menschen mit Handicaps: Unter anderem beeindruckte er im „Polizeiruf 110“ als einarmiger Kommissar Tauber.

Berührend

Wie aber zeigt man, dass ein Mensch sich in seiner Umgebung orientiert, ohne sie zu sehen? Edgar Selge gelingt es. Der Zuschauer kann in seinem Gesicht nicht nur die Anstrengung des Blinden erkennen, sich in fremden Räumen zurechtzufinden, sondern er liest in Selges Mimik förmlich, wie Weidt sein Gegenüber „hört“, statt es zu sehen.

Menschen mit besonderen Befähigungen darzustellen, sei für ihn „immer inspirierend, gleich, ob es sich dabei um einen verlorenen Arm, eine halbseitige Lähmung, eine Sprachbehinderung oder das Blindsein handele“. Es sei gewissermaßen „die sportive Seite“ seines Berufes, erklärt Selge bescheiden. Diese Aufgabe hat er einmal mehr mit Bravour gemeistert hart. Nicht zuletzt seinem Können ist es zu verdanken, dass dieser Dokumentarfilm so berührend ist.

KNA / DW

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