Für den Kaiser der Franzosen war der Fall klar: „Das Hochwasser der Donau“ habe den Erfolg verhindert, ließ Napoleon I. in seinem Kriegsbulletin vermelden. Das sah sein Kollege Franz I. in Wien allerdings ganz anders: „Ihnen war es vorbehalten, das fünfzehnjährige Waffenglück des stolzen Gegners zuerst zu unterbrechen“, dankte er voller Rührung seinem Bruder Erzherzog Karl. Damit kam der Kaiser von Österreich der Sache wohl näher. Denn in der Schlacht bei Aspern am 21. und 22. Mai 1809 hatte Napoleon den Nimbus der Unbesiegbarkeit verloren.
Dass es Erzherzog Karl (1771–1847) zufiel, zum „Retter des Vaterlandes“ zu werden, verdankte er dem Zufall. Weil Kaiser Joseph II. 1790 ohne Erben starb, ging die Krone an die habsburgischen Fürsten der Toskana über. Auf Leopold II. folgte Franz I., der im Zuge der Abwicklung des Heiligen Römischen Reiches durch Napoleon 1804 den Titel eines Kaisers von Österreich annahm. Seinem jüngeren Bruder Karl eröffnete sich damit eine steile Karriere, die ihn bereits 1794 auf den Posten des Reichsfeldmarschalls führte.
Seine eigentliche Bestimmung fand Karl ab 1801 als kaiserlicher Feldmarschall, Präsident des Hofkriegsrates und Kriegs- und Marineminister. In diesen Funktionen erhielt er die Aufgabe, die ein ums andere Mal von Napoleon geschlagenen Armeen des Habsburgerreiches zu organisieren und zu reformieren. Obwohl er wegen epileptischer Anfälle und der Anfälligkeit für Depressionen den Schreibtisch dem Feldlager vorzog, übernahm er 1809 als Generalissimus den Oberbefehl über die österreichischen Truppen im Fünften Koalitionskrieg gegen Frankreich.
Wie üblich rückte Napoleon mit seiner „Grande Armée d’Allemagne“ schnell vor. Karl wich jedoch einer schnellen Entscheidungsschlacht aus und zog sich nach Böhmen zurück. Nun legte der Kaiser der Franzosen eine ungewohnte Unschlüssigkeit an den Tag. Anstatt dem Gegner nachzusetzen, besetzte er Wien, was ihm allerdings wenig nützte. Stattdessen setzten ihn der Aufstand der Tiroler und eine englische Offensive in Spanien unter erheblichen Zeitdruck.
Als ihm seine Aufklärung meldete, dass Karl an der Donau Aufstellung nahm, plante er einen Überraschungsangriff, indem er die Insel Lobau südöstlich von Wien besetzte. Dort ließ er eine Brücke zum Schein über die Donau schlagen, während seine Leute über einen weiteren Übergang auf das östliche Ufer des Flusses marschierten. Karl aber durchschaute die Finte und befahl seinen Pionieren, Baumstämme, Flöße, Schiffsmühlen, Lastkähne und mit Steinen beladene Boote in den Strom zu schieben, um die Brücke zum Einsturz zu bringen.
Den Rest besorgte das Hochwasser der Donau. Als die Brücke zum ersten Mal barst, hatte Napoleon nur 30.000 Mann zur Verfügung, gegen die Karl 80.000 aufbieten konnte. Zwar erhielten die Franzosen bald Verstärkung, konnten aber nur mit Mühe über den 21. Mai ihre Stellungen halten. Am Tag darauf setzte Napoleon alles auf eine Karte und versuchte, das österreichische Zentrum zu durchbrechen. Karl persönlich stellte sich seinen wankenden Truppen entgegen und führte sie zum Gegenangriff. Daraufhin brach der Franzose den Angriff ab und zog seine Leute auf die Lobau zurück. Karl hatte gesiegt.
Zwar konnte Napoleon sechs Wochen später bei Wagram die Scharte auswetzen und Österreich zum Frieden zwingen. Aber dass auch ihm das Glück abhandenkommen konnte, hatte Aspern gezeigt. Den Eindruck, den die Schlacht allgemein hinterließ, hat Varnhagen von Ense zusammengefasst: „Er war geschlagen, sein Heer vernichtet, auch er konnte zugrund gehen, wie er bisher die andern zugrunde gerichtet hat.“
Dieser Artikel wurde erstmals im Mai 2021 publiziert.