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Himmler „Reichsführer SS“

Verschollene Briefe Heinrich Himmlers aufgetaucht

„Welt“ exklusiv: 69 Jahre nach dem Suizid Heinrich Himmlers sind in Israel Briefe und Fotos aus seinem Privatbesitz aufgetaucht. Sie geben Einblick in das Leben eines der schlimmsten Nazi-Verbrecher.
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Es ist der größte Fund privater Dokumente eines NS-Verbrechers: Seit 2011 hat ein Team von „Welt“-Reportern Briefe und Tagebücher aus dem Nachlass des “Reichsführers SS“ Heinrich Himmler ausgewertet.

Quelle: Die Welt

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Hier geht es zum großen Online-Special: „Himmler - Die Handschrift des Massenmörders“

Heinrich Himmler war einer der mächtigsten Nazi-Führer und im engsten Kreis um Adolf Hitler. Er war der skrupellose Organisator des Holocaust, der Chef von Waffen-SS, Gestapo und Polizei – verantwortlich für die Konzentrationslager und den Tod von Millionen Menschen. Jetzt sind Dokumente Himmlers aufgetaucht, die jahrzehntelang verschollen waren und die die Öffentlichkeit noch nie gesehen hat: Hunderte private Briefe, Notizen und Fotos aus dem Privatbesitz des Mannes, der die entscheidende Rolle bei der Massenvernichtung von Juden spielte.

Die Unterlagen, die der „Welt“ in Kopie vorliegen, befanden sich über einen sehr langen Zeitraum im Privathaushalt eines israelischen Juden und gelangten schließlich in den Besitz eines Privatarchivs in Tel Aviv. Dort liegen sie heute im Tresor einer Bank. Zu dem Bestand gehören neben den Briefen, die Himmler von 1927 bis fünf Wochen vor seinem Selbstmord 1945 seiner Frau Marga schrieb, zahlreiche bisher unbekannte Fotografien, auch der Nachlass von Himmlers Pflegesohn und weitere Papiere wie Rezeptbücher.

Die Dokumente sind nach einem Gutachten des Bundesarchivs nachweislich echt. Dessen Präsident Michael Hollmann bestätigte der „Welt“: „Wir sind uns sicher, was diese Dokumente angeht.“ Im Gutachten der weltweit wichtigsten Institution, die sich mit der schriftlichen Hinterlassenschaft des „Dritten Reiches“ beschäftigt, heißt es: „Es besteht kein Anlass, an der Echtheit der Unterlagen in Tel Aviv zu zweifeln.“

Die Herkunft des Materials konnte schlüssig nachvollzogen werden. Die Handschrift der oft mit „Dein Heini“ oder „Euer Pappi“ unterzeichneten Briefe stimmt mit anderen Schriftstücken Himmlers überein. Seine Briefe ergänzen zudem exakt die Briefe seiner Frau, die schon seit vielen Jahren im Bundesarchiv aufbewahrt werden.

„Dichtes Korpus an privaten Dokumenten“

Der Berliner Historiker und NS-Experte Michael Wildt beschreibt den Fund als „ein dichtes Korpus an privaten Dokumenten, wie es das von keinem anderen Angehörigen der NS-Führung gibt“. Von Adolf Hitler und seinem offiziellen Stellvertreter Hermann Göring sind praktisch gar keine persönlichen Unterlagen erhalten. Propagandaminister Joseph Goebbels, neben diesen beiden und Himmler der vierte führende Nationalsozialist, hinterließ zwar einen gewaltigen Bestand an handschriftlichen Tagebüchern und täglichen Diktaten. Doch handelt es sich dabei fast ausnahmslos nicht um private Aufzeichnungen, sondern um politische Äußerungen, die Rohstoff für künftige Propaganda und außerdem für die Nachwelt gedacht waren.

Die vielen Hundert Seiten des privaten Briefwechsels von Heinrich und Marga Himmler erscheinen nur auf den ersten Blick banal. Gerade in den ersten Jahren ihrer Beziehung, als Himmler noch nicht weit oben in der NSDAP-Hierarchie stand, schrieben die beiden einander zahlreiche scheinbar ganz normale Liebesbriefe. Doch immer wieder schimmern schon in diesen frühen Schreiben aus den Jahren 1927/28 die Besessenheit Himmlers und sein hemmungsloser Antisemitismus durch. Die Unterlagen verändern nicht das Gesamtbild der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft, aber sie erweitern das Bild des SS-Führers, seines Alltags und seiner Umgebung um viele bislang unbekannte Facetten. 

Himmler, im Oktober 1900 als mittlerer Sohn eines bayerischen Gymnasiallehrers geboren, kam gegen seinen Willen im Ersten Weltkrieg nicht mehr zum Fronteinsatz und kompensierte diese „vertane Chance“ mit umso radikalerem Engagement für völkische Kreise in Bayern: Als Mitglied Nr. 42.404 trat er der NSDAP bei. Während des Hitler-Putsches im November 1923 stand Himmler - wie ein überliefertes Foto zeigt - an einer Straßensperre vor dem bayerischen Kriegsministerium in München Wache. Nach dem Scheitern des Umsturzversuches begann der diplomierte Landwirt als rechtsradikaler Redner zu agitieren. Nach Wiederzulassung der NSDAP und ihrer Untergliederungen Anfang 1925 wurde er Mitglied der SA, bald wechselte er zur noch kleinen SS – als 168. Mitglied.

Als hauptamtlicher Parteifunktionär mit schmalem Gehalt lernte Himmler die geschiedene Krankenschwester Margarete Siegroth, geborene Boden kennen, die in Berlin eine kleine Pflegeanstalt betrieb. Aufgrund seiner Briefe kann jetzt zum ersten Mal nachvollzogen werden, wie sich die Beziehung der beiden bis zur Hochzeit am 3. Juli 1928 entwickelte. Auch zum Aufstieg Himmlers als NSDAP-Redner und -Funktionär zum stellvertretenden Chef der SS ab 1927 und „Reichsführer SS“ ab 1929 enthalten die Briefe viele bislang unbekannte Details.

Große Serie in „Welt“ und „Welt am Sonntag“

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Für die 1930er-Jahre gibt es größere Lücken im Briefwechsel; der Verbleib dieser Papiere ist unklar. Allerdings erlaubt das Tagebuch von Marga, das überhaupt nicht glamouröse Privatleben der Himmlers nachzuvollziehen. Im Gegensatz zu Hermann Göring, der 1935 mit großem Pomp die Schauspielerin Emmy Sonnemann geheiratet hatte, und zu Joseph Goebbels, dessen Frau Magda die „First Lady“ Hitler-Deutschlands war, hielt Himmler seine Familie aus der Öffentlichkeit fast völlig heraus.

Das Material  gibt auch Einblicke, wie sich das Ehepaar Himmler auseinanderlebte. Seit 1938 unterhielt der SS-Führer eine Affäre mit seiner Privatsekretärin. Anders als von bisherigen Himmler-Biografen vermutet, blieb der „Reichsführer SS“ seiner Ehefrau und Tochter aber verbunden; das zeigen seine Briefe aus den Jahren 1941 bis 1945.

Auch als das „Dritte Reich“ unübersehbar einer katastrophalen Niederlage im Zweiten Weltkrieg entgegentaumelte, hielt Himmler am Versprechen eines „Endsiegs“ gegen die vielfach überlegenen Gegner fest. Sogar noch zu der Zeit, als er bereits vertrauliche Kontakte mit den westlichen Alliierten zu knüpfen versuchte, um sein Überleben zu sichern.

Dazu kam es nicht: Kurz vor der Kapitulation tauchte Himmler unter falschem Namen unter und geriet am 20. Mai 1945 als vermeintlich normaler Soldat in Kriegsgefangenschaft. Er offenbarte sich und beging drei Tage später mit einer Giftkapsel Selbstmord, als er genau nach einer solchen durchsucht werden sollte. Zu dieser Zeit hatten US-Soldaten, die das Privathaus der Familie Himmler in Gmund am Tegernsee besetzt hielten, schon den dortigen Tresor geöffnet und die Privatpapiere an sich gebracht. Der größere Teil davon wird erst jetzt, fast sieben Jahrzehnte später, der Öffentlichkeit zugänglich.

Am Sonntag startet eine achtteilige Serie der „Welt“ und der „Welt am Sonntag“, in der das Leben Heinrich Himmlers neu beleuchtet wird und viele der jetzt aufgetauchten privaten Fotos und Auszüge der interessantesten Briefe veröffentlicht werden. Auf das neue Material zu Himmlers Privatleben stützt sich auch der Dokumentarfilm „Der Anständige“ der israelischen Regisseurin Vanessa Lapa, deren Vater das Privatarchiv mit den Dokumenten gehört. Der Film, dessen Produktion die „Welt“ finanziell unterstützt hat, wird am 9. Februar auf der Berlinale uraufgeführt.

English version: Heinrich Himmler's missing letters surface

Lesen Sie hier, wie die Welt an Heinrich Himmlers Briefe kam

Finden Sie hier das gesamte Special zu den entdeckten Briefen von Heinrich Himmler

Kein Zweifel an der Echtheit der Himmler-Briefe

Bundesarchivpräsident Michael Hollmann reiste mit dem Historiker Michael Wildt nach Tel Aviv, wo die originalen Briefe Heinrich Himmlers in einem Tresor lagern. Zweifel an der Echtheit hat er nicht.

Quelle: Die Welt

sfk/J.S./sim

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