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Geschichte Schüsse auf Fico

Typischerweise männlich und isoliert – die sechs Typen von Attentätern

Regierungsvertreter gehen bei dem Attentat auf den slowakischen Regierungschef Robert Fico von einem „politischen Motiv“ aus. Zumindest in einem Punkt ist der Täter eher untypisch im Vergleich zu Angreifern aus der Vergangenheit. Ein Überblick.
Leitender Redakteur Geschichte
Tumult in den Minuten nach dem Attentat auf US-Präsident Ronald Reagan am 30. März 1981 in Washington D.C. Sicherheitsbeamte kümmern sich um den verletzten Pressesprecher James Brady Tumult in den Minuten nach dem Attentat auf US-Präsident Ronald Reagan am 30. März 1981 in Washington D.C. Sicherheitsbeamte kümmern sich um den verletzten Pressesprecher James Brady
Minuten nach dem Attentat auf US-Präsident Ronald Reagan am 30. März 1981 in Washington D.C.: Sicherheitsbeamte kümmern sich um den verletzten Pressesprecher James Brady
Quelle: picture alliance/dpa/UPI
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Weit mehr als zweitausend im allgemeinen Sinne politisch oder gesellschaftlich motivierte Gewalttaten auf im Vorhinein bestimmte einzelne Personen oder auf herausragende Symbole kann man in den zahlreichen Büchern über Attentate und politische Morde zählen.

Diese nicht mehr überschaubare Liste wird jedoch rasch kürzer, wenn man erstens alle jedenfalls formal dem seinerzeit geltenden Recht folgenden Hinrichtungen sowie Morde im Auftrag beispielsweise eines Geheimdienstes oder einer anderen staatlichen Autorität streicht, und zweitens all jene Fälle, in denen es um Mord im Rahmen von Nachfolgestreitigkeiten innerhalb eines Herrscherhauses oder von offen ausgetragenen Bürgerkriegen geht. Es bleiben rund sechshundert Attentate im engeren Sinne, bei denen in der Regel mit ihrem Opfer persönlich näher nicht bekannte Täter aus ihrer Ansicht nach höheren Gründen zu Messer, Pistole oder Bombe griffen.

Bei gut einem Drittel dieser etwa sechshundert Gewalttaten ist genügend über Person und Motive des Täters bekannt, um aus der begrenzten Anzahl von Attentaten immerhin einige Trends zu erkennen:

Typischerweise sind Attentäter erstens männlich: Nur etwa jeden zehnten der ausgewerteten Anschläge begingen Frauen.

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Zweitens sind Attentäter eher jung. Ein „Durchschnittsalter“ zu errechnen wäre zwar unseriös; feststellen kann man allerdings, dass nicht einmal jeder vierte der recherchierten Attentäter zum Zeitpunkt seines Anschlages älter als 35 Jahre war. Die am häufigsten unter den ausgewerteten Personen vertretene Altersgruppe sind die 17- bis 25-jährigen – sie machen knapp die Hälfte aller Attentäter aus. Der 71 Jahre alte Attentäter in der Slowakei stellt insofern eher eine Ausnahme dar.

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Drittens ist es zutreffend, dass vor allem solche Menschen zur Verübung eines Attentats neigen, die – aus welchen Gründen auch immer – in ihrer persönlichen Umgebung schlecht oder gar nicht integriert sind. Beruflich oder gesellschaftlich erfolgreiche Personen finden sich seltener.

Andererseits zeigen die recherchierten Fälle, dass jedes Attentat neben dem zu allem entschlossenen Täter eine weitere prinzipielle Voraussetzung hat – die passende Gelegenheit. Hier lassen sich drei typische Situationen unterscheiden: Entweder lauert der Attentäter seiner Zielperson auf und setzt darauf, irgendwann Erfolg zu haben. Derlei kann Monate dauern, manchmal sogar Jahre. Oder aber er führt bewusst eine Begegnung mit seinem Opfer herbei – häufig durch die Behauptung, geheime Informationen ausschließlich persönlich übergeben zu können. Je besser allerdings der Schutz eines potenziellen Ziels organisiert ist, desto schwieriger wird das unangemeldete Vordringen zu ihm.

Die dritte Situation setzt Insider-Informationen voraus; nur aus dem inneren Kreis eines potenziellen Opfers nämlich sind mit hinreichender Gewissheit im voraus Angaben über seinen Aufenthaltsort zu einem bestimmten Zeitpunkt zu bekommen. Bei Anschlägen in jüngerer Zeit überwiegt der Typ des auflauernden Attentäters; insbesondere weil sich Politiker in demokratischen Gesellschaften ebenso wie Show- oder Sportstars notwendig und allen berechtigten Sicherheitsbedenken zum Trotz gelegentlich in der Öffentlichkeit zeigen müssen – und so einem ausreichend geduldigen Mörder irgendwann nahe genug kommen.

Schließlich erweist die Auswertung der Attentäter-Biografien, dass nach ihren Motiven sechs grundsätzliche Typen unterschieden werden können. Am zahlreichsten sind die geistig verwirrten Einzeltäter. Sie haben irrationale „Gründe“ für ihre Tat, sie koppeln sich von der Realität meistens sogar komplett ab. Nur in ihren jeweiligen Wahnvorstellungen erscheint ihre Tat folgerichtig. Fast immer gibt es zwischen ihrem Opfer und dem Ziel, das sie zu verwirklichen suchen, keinen oder höchstens einen indirekten Zusammenhang. Geistig verwirrte Einzeltäter hat es immer gegeben, doch im Laufe der Medienrevolution des 20. Jahrhunderts nahm der Anteil solcher Gewalttaten deutlich zu, weil diese Attentäter nicht nur politisch herausragende Persönlichkeiten angreifen, sondern auch Sportler, Schauspieler oder Showstars.

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Nicht ganz so häufig wie geistig verwirrte Attentäter sind idealistische Einzeltäter. Sie haben im Wesentlichen rationale Motive für ihre Tat. Ihr Bezug zur Realität ist ungestört; sie wollen mit ihrem Attentat einen zu Recht oder zu Unrecht als unerträglich erkannten Zustand verändern. Idealistische Einzeltäter wählen für ihren Anschlag fast immer eine Zielperson, deren Tod tatsächlich zu einer Veränderung des beanstandeten Zustandes führt oder führen würde. Über die Legitimität der Tat oder ihre moralische Berechtigung sagt die Einstufung eines Attentäters in die Kategorie „idealistischer Einzeltäter“ dagegen nichts aus: Sie ist kein Werturteil.

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Eine dritte Kategorie von Attentätern, die in Wellen auftritt und gegen Ende des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts einen blutigen Aufschwung erlebte, sind die religiösen Eiferer. Sie morden mit reinem Gewissen, denn sie fühlen sich von Gott beauftragt. In der Regel sind religiöse Eiferer Einzeltäter, die allerdings von einem Umfeld gestützt und in ihrer Überzeugung bestärkt werden, einen bestimmten Menschen töten zu „müssen“. Derartige Fanatiker gibt es in allen Religionen; im Christentum ebenso wie im Judentum, bei Muslimen ebenso wie bei Hindus, Sikhs und sogar Buddhisten.

Ein vierter Typ sind die gedungenen Mörder, die ohne jede Beziehung zu ihrem Opfer nur für Geld oder andere materielle Vorteile töten. Nicht die Täter, sondern ihre Auftraggeber fühlen sich in diesen Fällen durch höheres Recht legitimiert. Verglichen mit ihrer Bedeutung für kriminell motivierte Morde sind Lohnkiller jedoch vergleichsweise selten an Attentaten auf politisch oder gesellschaftlich bedeutende Persönlichkeiten beteiligt. Das liegt in erster Linie an der besonderen öffentlichen Aufmerksamkeit, die solchen Taten, ihren Opfern und ihren Urhebern entgegengebracht wird, und zweitens an dem oft besonders intensiven Schutz der potenziellen Ziele. Beides erhöht das Risiko für gedungene Mörder, die ja nur dann etwas von ihrer Tat haben, wenn sie unerkannt entkommen können.

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Quelle: N24 Doku

Mit höchsten moralischen Ansprüchen an sich selbst und an ihre Tat dagegen treten meistens Attentäter des fünften Typs auf, die Vollstrecker von Verschwörungen. Im weiteren Sinne sind zwar alle Attentäter außer den geistig verwirrten und den idealistischen Einzeltätern Teile einer Verschwörung; jedes Mitglied einer Terrorgruppe und erst recht jeder gedungene Mörder handelt in Absprache mit anderen. Im engeren, hier gemeinten Sinne jedoch sind Verschwörungen darauf gerichtet, neben dem schieren Akt des Mordes wesentliche politische Veränderungen zu erreichen. Ihre Vollstrecker bereiten daher neben dem eigentlichen Attentat in der Regel weitere Maßnahmen vor, um die politische Macht nach dem Tod ihrer Zielperson entweder zu übernehmen oder jedenfalls die Nachfolger des Opfers zu beeinflussen.

Der sechste Typ von Attentätern sind politische Terroristen. Für sie ist der Mord Selbstzweck, um Schrecken zu verbreiten und ihre Feinde in der Politik so weit wie möglich zu verunsichern. Anders als die Vollstrecker von Verschwörungen verfolgen politische Terroristen mit ihren Anschlägen gerade kein konkretes Vorhaben, zum Beispiel einen Machtwechsel als Folge eines Attentats. Wenn überhaupt, haben sie so nebulöse Ziele wie die deutsche „Rote Armee Fraktion“, die durch ihre Anschläge die Bundesrepublik zwingen wollte, ihren „wahren Charakter“ als „faschistisch-imperialistischer Staat“ zu offenbaren.

In diese sechs Kategorien lassen sich die meisten Attentäter der Weltgeschichte schlüssig einordnen. Und trotzdem gibt es eine wichtige weitere Gruppe: die ungelösten Rätsel. Ein Großteil aller Anschläge der vergangenen zweieinhalb Jahrtausende sind früher oder später, mehr oder weniger ernsthaft Gegenstand von Verschwörungstheorien geworden – unabhängig davon, ob der oder die Mörder gefasst wurden oder nicht, ob ihre Opfer überlebten oder nicht. Immer wieder werden Verantwortliche abseits der gefassten oder vermuteten Täter gesucht, immer wieder behaupten verurteilte Attentäter oder ihre Anwälte, ganz andere Personen seien für die Mordtat verantwortlich.

Doch kann man nüchtern betrachtet nur bei einem kleinen Teil der politisch bedeutsamen Attentate tatsächlich von „ungelösten Rätseln“ sprechen. Die Morde an den beiden Kennedys oder das Attentat auf Papst Johannes Paul II. sind Beispiele für wirklich ungeklärte Fälle; die Spekulationen um die Brandstiftung im Reichstagsgebäude 1933, um die Schüsse auf Yitzhak Rabin oder um den Anschlag auf das World Trade Center in New York 2001, das als Symbol des US-Kapitalismus wahrgenommen wurde, dagegen dürfen trotz teilweise eifriger Verneblung der Tatsachen durch bestimmte interessierte Kreise als aufgeklärt gelten.

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch „Attentäter. Mit einer Kugel die Welt verändern“, Verlag Böhlau, 2003, 330 Seiten.

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