Durch den Weltraum zu fliegen, ist eine ernste Angelegenheit. Nicht nur stellt solch ein Unterfangen rein technisch eine enorme Herausforderung dar, bei der einiges schiefgehen kann. Auch ist bei potenziellen Begegnungen mit Aliens im besten Fall diplomatisches und wissenschaftliches, im schlechtesten Fall militärisches Geschick gefragt.
Kein Wunder also, dass es an Bord der „Enterprise“ eher nüchtern und professionell zugeht. Das Raumschiff ist auf Erkundungsmission und gehört zur Flotte der Föderation, die wie eine Nachfolgetruppe der US-Navy organisiert ist. Der Captain und seine Offiziere stehen auf der Brücke. Man trägt Uniform, Befehle werden erteilt und ausgeführt. So zu sehen im TV-Serienklassiker „Star Trek“, der von 1966 bis 1969 in 79 Episoden in den USA ausgestrahlt wurde.
In Deutschland mussten die Zuschauer bis zum 27. Mai 1972 warten, bis sie im ZDF unter dem Titel „Raumschiff Enterprise“ die erste Episode der Science-Fiction-Produktion zu sehen bekamen. Zu sehen, wohlgemerkt, nicht unbedingt auch zu hören. Denn bezüglich der Dialoge wurde dem deutschen Publikum eine Fassung vorgesetzt, die sich große Freiheiten nahm.
So waren die Äußerungen von Captain Kirk (William Shatner), Lieutenant Commander Spock (Leonard Nimoy), Dr. McCoy (DeForest Kelley) und den übrigen Crewmitgliedern nun mit lauter bunten Einlassungen, Spitznamen und flapsigen Sprüchen garniert, die man eher von jugendlichen Partygängern oder angeheiterten Kneipenbesuchern erwarten würde als von Offizieren im Dienst – und die keine Entsprechung im Original hatten. In der US-Fassung gab es zwar gelegentlich auch ironische Bemerkungen oder amüsante Szenen. Aber eben keine Blödeleien.
Zu den Autoren der deutschen Texte gehörte Gert Günther Hoffmann, der auch teils die Synchronregie führte und William Shatner seine Stimme lieh. Er legte Kirk Sätze wie „Na, im Himmel ist Jahrmarkt, und wir feiern ‘nen bisschen mit!“ in den Mund. Hoffmann ist auch durch viele weitere Sprechrollen bekannt, unter anderem als deutsche Stimme von Sean Connery („Mein Name ist Bond, James Bond“), Lex Barker in den Karl-May-Filmen, Patrick Macnee („Mit Schirm, Charme und Melone“) und als Erzähler in den „Paulchen Panther“-Zeichentrickfilmen („Heute ist nicht aller Tage, ich komm‘ wieder, keine Frage!“).
Neben den Gags gab es bei „Star Trek“ weitere Änderungen, deren Sinn und Notwendigkeit sich nicht immer erschloss. So wurde aus der „Warp-Geschwindigkeit“ im Deutschen „Sol-Geschwindigkeit“, was wohl eine Abkürzung für „Speed of Light“ sein sollte. Und während McCoys Spitzname „Bones“ mit „Pille“ übersetzt wurde, was für einen Arzt immerhin noch Sinn machte, nannte Kirk seinen Navigator Pavel Chekov (Walter Koenig) im ZDF immer wieder „Pane Chekov“, aus unerfindlichen Gründen. Spock wurde wiederholt und einigermaßen respektlos als „Spitzohr“ tituliert.
Gänzlich inhaltlich entstellt wurde die Episode „Amok Time“, in welcher der Vulkanier eine Art Brunftzeit durchmacht. Das war dem Sender zu heikel, und so litt Spock in der gekürzten deutschen Fassung an einem asexuellen „Weltraumfieber“. Das ZDF ließ nur 39 Folgen der Serie synchronisieren und strahlte diese bis in die 1980er in mehreren Wiederholungen aus.
Ab 1987 sendete Sat.1 die fehlenden Episoden (mit Ausnahme der Folge „Patterns of Force“, die wegen ihrer Nazi-Thematik erst in den 1990ern für den Videomarkt synchronisiert wurde), bei deren deutscher Bearbeitung man jetzt keine Blödeleien mehr dazuerfand – wie auch bei den „Star Trek“-Kinofilmen und Nachfolgeserien keine Kalauer mehr hineinsynchronisiert wurden.
Die freie, gagreiche „Star Trek“-Synchronisation im Auftrag des ZDF war in der damaligen Zeit kein Einzelfall, sondern bis in die 1980er sehr en vogue. Schon in den späten 1960ern hatte in deutschen Fassungen von Filmen und TV-Produktionen „Schnodderdeutsch“ Einzug gehalten.
Erfinder dieses Begriffs und Vorreiter der Blödel-Synchronisierungen war der Schauspieler und Dialogbuchautor Rainer Brandt, der unter anderem als deutsche Stimme von Jean-Paul Belmondo und Tony Curtis bekannt wurde. Ebenfalls prägend war der Autor und Dialogregisseur Karlheinz Brunnemann, mit dem Brandt auch zusammenarbeitete. Die beiden fanden Gleichgesinnte und Nachahmer.
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Brandt beschrieb das „Schnodderdeutsch“ später so: „Es war ein Misch-Masch. Zusammengewürfelt aus Berlinismen, jiddisch, ein bisschen Unterwelt und etwas Gosse! Und sehr viel Humor gepaart mit Fantasie.“ Er habe sich damals gefragt: „Warum ist das schöne neue Fernsehen so verschissen unkomisch und langweilig? ... Wir, die jungen Wilden, fanden all das, was die Älteren dankbar vom Bildschirm in sich reinzogen, nervend, unrealistisch, einfach doof!“
Etliche Produktionen wurden nun im Deutschen „verschnoddert“, darunter Western mit Bud Spencer und Terence Hill sowie Filme mit Louis de Funès und Adriano Celentano. Anders als manche ernste Werke, die in der Übersetzung plötzlich voller Humor waren, handelte es sich bei diesen zwar auch im Original um Komödien – aber in den deutschen Fassungen waren sie jetzt um einiges origineller und gagreicher.
Das galt auch für eine Fernsehserie, die im englischsprachigen Raum nur moderaten Erfolg hatte, aufgrund der Bearbeitung von Brandt und Brunnemann aber in Deutschland schnell Kultstatus erreichte. Sie wurde vielfach wiederholt und hat bis heute als Paradebeispiel des Schnodderdeutsch-Humors etliche Fans: „Die Zwei“.
Die Abenteuer der beiden Playboys Brett Sinclair (Roger Moore) und Danny Wilde (Tony Curtis) wurden ab dem 11. Juli 1972 im ZDF gezeigt, und in den 24 Folgen fielen Sätze wie „Mir schwellt da eine Frage im Gebeiß!“, „Schöne Tapete haben Sie da an. Selbst gemalt?“ und „Na, hock ich denn im Spargel?!“
Rainer Brandts Resümee: „Wir fanden ‚Good morning, Mr. Miller‘ – ‚Guten Morgen, Herr Müller‘ einfach Scheiße! ‚Na Meisterchen, schon frisch im Schritt?‘ passte auch auf die Schnauze, war witziger und war neu in der Synchronisation. Und die Zuschauer fanden das riesig … Endlich mal was anderes.“
Dieser Artikel wurde erstmals im Mai 2024 veröffentlicht.