Bei Immobilien sind drei Faktoren entscheidend: die Lage, die Lage und die Lage. Dieses launige Sprichwort bemühen Makler gerne, um den Preis eines Wohnobjektes zu begründen. Aber auch Historikern bietet sich dieses Bonmot bisweilen an, etwa wenn es um die Frage geht, warum ein bestimmter Ort geschichtliche Bedeutung erlangte, während ein anderer, gar nicht weit entfernter, irrelevant blieb.
Geringe Distanzen machen dabei manchmal den großen Unterschied, und ein Beispiel dafür ist Palm Springs. Die Stadt östlich von Los Angeles wurde im Laufe der 1930er-Jahre ein Anziehungspunkt für Prominente aus Hollywood. Der zuvor eher verschlafene Ort mitten in der Wüste bekam nun einen ungeahnten Glamour-Faktor, der in den 40er-, 50er- und 60er-Jahren das Stadtbild entscheidend veränderte. Denn die Schönen und Reichen kauften dort immer mehr Grundstücke, die sie von damaligen Top-Architekten zeitgeistgemäß bebauen ließen – was Palm Springs heute zum Mekka für Fans der stylischen Midcentury-Modern-Architektur macht.
Der Grund für all das: die Lage von Palm Springs, bei der sieben Meilen die entscheidende Rolle spielten und den Ort für Hollywood-Stars so attraktiv machten. Denn die Schauspieler waren damals rigorosen Vorgaben der Studios unterworfen, die ihr Image minutiös planten und kontrollierten. Wer sich nicht an die damals verbreiteten, eher verklemmten Moralvorstellungen hielt, geriet schnell ins Abseits.
Daher waren Stars auf der Suche nach einem gut erreichbaren Rückzugsort, wo sie ganz nach ihrer Façon leben und feiern konnten, ohne sich ständig vor Klatschreportern und Paparazzi in Acht nehmen zu müssen. Diese wurden von den Verlagen zwar nur mager bezahlt, aber sie bekamen lukrative Spesenpauschalen – für alle Recherchefahrten in einem Radius von bis zu 100 Meilen. Und Palm Springs ist 107 Meilen von der Westküstenmetropole entfernt. Somit waren Prominente dort vor potenziell karrierebedrohenden Reportern einigermaßen in Sicherheit, und der Ort bekam bald den inoffiziellen Beinamen „Spielplatz der Stars“.
So entstand in Palm Springs ab den 1930ern die „Movie Colony“, ein Stadtviertel, in der etliche Stars wie Cary Grant, Lana Turner, Tony Curtis, Bob Hope und Marilyn Monroe in Laufweite voneinander Anwesen kauften und sich gegenseitig besuchten. Ab den späten 1940ern kam ein Mann hinzu, der nicht nur die Partyszene der Stadt wie kaum ein Zweiter prägte: Frank Sinatra.
Schon in seinem „Rat Pack“-Freundeskreis galt Sinatra als inoffizieller Anführer: Dean Martin, Sammy Davis Jr. und seine weiteren singenden Saufkumpane hatten ihm den Beinamen „Chairman of the Board“ gegeben. Das setzte sich in Palm Springs nahtlos fort.
Geradezu ehrfurchtsvoll berichten alteingesessene Restaurant- und Barbetreiber bis heute von Sinatras Dinner- und Drink-Gesellschaften, die oft bis tief in die Nacht gingen. Dabei konnte der italienischstämmige Sänger und Schauspieler durchaus aufbrausend sein, wenn der Alkoholpegel stieg und die Pasta nicht so zubereitet war, wie er es erwartete. Gleichzeitig heben alle, die damals dabei waren, Sinatras stark ausgeprägte mildtätige Ader hervor und berichten, wie korrekt und geradezu fürsorglich er sich gegenüber dem Servicepersonal verhalten habe, hohe Trinkgelder inklusive.
Jahrzehnte später berichtete der langjährige Reporter der Lokalzeitung „The Desert Sun“ Bruce Fessler in der Doku „Sinatra in Palm Springs – The Place he called Home“ (2018), dass er sich fast sicher sein konnte, am Nachmittag einen Anruf von Sinatras Leuten zu bekommen, wenn morgens ein Artikel über ortsansässige Menschen erschienen war, die sich in Notlagen befanden.
Anonym ließ Sinatra dann hohe Arztrechnungen begleichen oder half überschuldeten Pechvögeln aus der Patsche. Auch machte er großzügige Spenden an soziale Einrichtungen der Stadt.
In den späten 1940ern bezog Sinatra zunächst das Anwesen „Twin Palms“ (benannt nach den zwei hohen Palmen, die noch immer am Pool des Geländes stehen). Seine Zeit dort war jedoch nicht immer glücklich, sondern bisweilen arg turbulent. Denn mit seiner zweiten Frau Ava Gardner geriet er oft in hitzige Streitereien. Während einer besonders heftigen Auseinandersetzung warf einer von beiden mit einer Champagnerflasche, die auf dem Waschbecken im Badezimmer landete. Der resultierende Sprung in der Keramik ist dort noch heute zu besichtigen.
Ab 1957 wohnte Sinatra in einem deutlich größeren Anwesen mit mehreren Gästehäusern im nahen Rancho Mirage, das Gelände war umgeben von einem großen Golf- und Countryclub, dessen Mitbesitzer er war. Heute lautet die dortige Adresse: 70588 Frank Sinatra Drive.