Manieren hat der Mann, gar keine Frage. Eben hat ihm sein Gesprächspartner, den er an der Kehle hält, mitgeteilt, sein Raumschiff sei in diplomatischer Mission unterwegs, da stellt der Kerl in Schwarz mit dem imposanten Helm ihm eine sachlich völlig berechtigte Frage: „Wenn dies ein Konsularschiff ist, wo ist dann der Botschafter?“
Eine Antwort kann der andere nicht geben, was ihm in diesem Moment nicht unbedingt gut bekommt. Aber das Thema wird sich über die gesamte Filmreihe wiederholen. So nimmt der Behelmte die Entschuldigung eines Untergebenen „zur Kenntnis“, während er seinen Büttel durch magische Kräfte röchelnd am Boden liegend umbringt.
Seit 46 Jahren ist Darth Vader aus dem „Star Wars“-Universum einer der regierenden Filmschurken dieser Welt – und seit „Krieg der Sterne“ am 9. Februar 1978 neun Monate nach dem Start in den USA in die deutschen Kinos kam, hat ihn niemand vergessen, der ihn je sah.
Dabei ist der „Schwarze Lord“ eigentlich nur die Nummer Zwei des Reiches, das die ganze Galaxie unterdrückt: Er dient dem Imperator. Doch der spielte in diesem Streifen noch nicht richtig mit, und deshalb ist die dunkle Silhouette mit Gasmaske und Umhang, in der der Schauspieler David Prowse steckte, viel tiefer im popkulturellen Gedächtnis verankert als sein Chef.
Wer sich 1978 in der Bundesrepublik für Film interessierte, wusste, dass etwas im Anmarsch war, für das die Kinogänger in Amerika in straßenlangen Schlangen angestanden hatten. Die USA waren den Deutschen also wieder einmal voraus, obwohl sich die Nation jenseits des Atlantiks nach dem Watergate- und Vietnam-Debakel in einem ziemlich bemitleidenswerten Zustand befand.
Das schlug sich auch auf der Leinwand nieder: Nie crashten dort so viele Flugzeuge, nie soffen dort so viele Schiffe ab, nie malte Hollywood atomare Endzeitfantasien so detailliert aus wie in den 1970er-Jahren. Bis eben George Lucas’ „Star Wars“ das Science-Fiction-Genre neu erfand und damit Steven Spielbergs „Der Weiße Hai“ als kommerziell erfolgreichsten Film aller Zeiten ablöste.
Geholfen haben dürfte dem Regisseur die sehr überschaubare Handlung, die allerdings nicht gegen den Film spricht. Wer ein Märchen erzählen will, sollte sich vor zu viel Komplexität hüten. Nichts anderes hatte Lucas vor. Also drehte sich die Story um die Achse Gut und Böse, mixte ein wenig Spiritualität in Form übernatürlicher Kräften bei, die einigen Protagonisten aus der nicht weiter erklärten „Macht“ (im Original: „the Force“) erwuchsen, und peppte das Ganze mit Spezialeffekten auf, bis den Zusehern die Pupillen flackerten und die Ohren dröhnten.
Konkret hatte das Imperium mit dem Todesstern eine Kampfstation errichtet, die ganze Planeten mit einem einzigen Schuss auslöschen konnte. Dagegen stemmte sich eine Allianz von Rebellen. Uniformen und Befehlsketten der Imperialen erinnerten fatal an das Aussehen und Verhalten der deutschen Soldaten nach 1939. Nicht nur Vaders Helm, sondern auch die weißen Sturmtruppen machten deutliche Anleihen bei der Wehrmacht, während es bei den Rebellen wesentlich weniger zackig zuging.
Ihre Helden waren einmal Prinzessin Leia (Carrie Fisher), die das Gebaren des Imperiums nicht mochte, sowie ein junger Mann namens Luke Skywalker (Mark Hamill), den der alte Meister Obi-Wan Kenobi (Alec Guinness) in die geheimen Kräfte einführte, die dem Orden der Jedi-Ritter zur Verfügung standen.
Doch zum heimlichen Hauptdarsteller avancierte der Weltraum-Pirat Captain Han Solo, gespielt von Harrison Ford. Nicht nur, dass er mit seinem Raumschiff, dem „Rasenden Falken“, die „schnellste Schrottmühle der Galaxis“ steuerte – er hatte auch die coolsten Sprüche drauf, ganz egal, mit welchen Kopfgeldjägern, Unterweltfürsten oder eben galaktischen Superschurken er sich gerade wieder angelegt hatte. Hinzu kamen mit C3PO und R2-D2 noch zwei liebevoll gezeichnete Roboter.
Nun könnte man glauben, dass diese Handlung und solche Charaktere nicht viel Aufwand erforderten. Doch nichts wäre falscher als das. Selbst wer sich nur oberflächlich mit der Entstehungsgeschichte des Werks befasst, leidet körperliche Qualen, wenn er sich klar macht, was George Lucas alles durchmachen musste, bis er am Ziel, der Film also in den Kinos war.
Am Drehbuch hatte der Regisseur seit 1973 gesessen, das zehnseitige Exposé trug den Titel „The Star Wars“, aber zunächst wollten weder die Produktionsgesellschaften United Artist noch Universal noch Disney den Stoff verfilmen. Die Studiobosse hatten eine Art experimentelle „2001 – Odyssee im Weltraum“ von Stanley Kubrick vor Augen und hielten Science Fiction für überholt.
Überzeugen konnten Lucas und sein Produzent Gary Kurtz schließlich 20th Century Fox, das Projekt als Low-Budget-Produktion zu verwirklichen. Da hieß Luke Skywalker noch „Starkiller“, und mehr als acht Millionen Dollar durfte der Streifen nicht kosten. Lucas erhielt 150.000 Dollar für das Drehbuch, sicherte sich aber die Rechte für Nachfolgeprojekte und das Merchandising – im Rückblick eine äußerst kluge Entscheidung.
Mit diesem Vertrag fingen die Probleme allerdings erst so richtig an. Acht Millionen Dollar erwiesen sich als zu wenig, und es dauerte Wochen, bis sich das Studio erweichen ließ, die benötigten zusätzlichen zwei Millionen Dollar zur Verfügung zu stellen. Beim Casting setzte Lucas mit Ausnahme von Alec Guinness auf recht unbekannte Gesichter. Harrison Ford sollte zunächst nur als Dialogpartner für die vorsprechenden Schauspieler dienen und ihnen die jeweiligen Dialogstellen erklären. Doch er lieferte eine derartig arrogante und schnoddrige Darbietung ab, dass der Regisseur bald überzeugt war: Der wird mein Han Solo.
Als der Drehbeginn näher rückte, sollte der Planet Tatooine erst auf den Philippinen liegen, dann hatte Lucas keine Lust auf das tropische Klima, also ging man nach Tunesien in die Wüste. Am 22. März 1976 startete das Ensemble, augenblicklich traten jede Menge Schwierigkeiten auf. Da waren fehlerhafte Requisiten, durch Wüstensand zerstörtes Equipment – und hinzu gesellte sich noch äußerst seltener Starkregen.
Lucas und sein Team fielen im Zeitplan zurück, was die Reibereien des Regisseurs mit seinem Kameramann Gilbert Taylor nicht geringer machte: Man war sich uneins über die Ästhetik des Streifens. Doch vor seine Mannschaft treten und Ansagen verteilen wollte Lucas auch nicht, dafür war er zu sensibel. Dies sind nur einige Details, die Liste ließe sich verlängern. Jedenfalls kann man es wohl nachsehen, dass viele Beteiligte zwischendurch nicht an den Erfolg der Produktion glaubten.
Aus heutiger Sicht macht dies das Ergebnis nur umso amerikanischer – ein Mann, der nie aufgibt, wird am Ende für seine Plagen belohnt. Denn natürlich war das Ergebnis von einer solchen Grandiosität, dass höchstens Typen darüber meckern können, die sich dem usbekischen Problemkino verschrieben haben.
Selbstverständlich zerstörte Luke Skywalker den Todesstern mit geschlossenen Augen, weil die „Macht“, die ihn leitete, eben stärker war als die Berechnungen jedes Bordcomputers; natürlich half ihm Han Solo dabei, indem er seinen „Rasenden Falken“ zwischen Luke und das Raumschiff Darth Vaders manövrierte, der den Rebellen bereits fest im Visier hatte. Solos Kommentar zur Situation: „Alles klar, Junge, lass uns das Ding in die Luft jagen und heimfliegen.“
Interessant zu beobachten sind die unterschiedlichen Reaktionen der Kritiker diesseits und jenseits des Atlantiks. Zwar fand WELT den Streifen in einer recht kleinen Notiz „amüsant“, aber die eher linksgerichteten deutschen Intelligenzblätter maulten kollektiv über die angeblich zu simple Story und Kitschalarm. Die „Zeit“ schwang sich zu einem „Wenn der Film ein Vorbote des Kinos der Zukunft sein sollte, muss man Angst haben um die Zukunft des Kinos“ auf.
Eine Zeitung wie die „New York Times“ hatte dagegen nur Lob parat: „Der durchdachteste und schönste Film aller Zeiten“, kommentierte der Kritiker. Das sahen viele Kollegen in Amerika ähnlich. Lucas konnten die deutschen Journalisten egal sein, denn der Film brach auch in Deutschland sämtliche Besucherrekorde. Und gewann zudem sechs Oscars plus Sonder-Oscar für die besten Toneffekte.
Leicht melancholisch stimmt Puristen, wie sehr an dem Original inzwischen durch Computertechnik herumgemurkst wurde. Ganze Szenen kamen neu hinzu, und aus der schwer zu übertreffenden Trilogie „Krieg der Sterne“, „Das Imperium schlägt zurück“ und „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ ist längst ein Kosmos aus Prequels, Sequels und Origin-Storys geworden, in der der Film, mit dem alles begann, nun nur mehr als „Episode 4 – Eine neue Hoffnung“ fungiert.
Unter kommerziellen Gesichtspunkten ist das verständlich, und es gibt auch „Star-Wars“-Fans der ersten Stunde, die bereit sind, das alles ziemlich gut zu finden. Es sei ihnen gegönnt. Nur die Wucht, mit der der Krieg der Sterne den Planeten Erde traf, wird nichts davon zurückbringen können. Man ist kein verknöcherter Nostalgiker, wenn man sich erlaubt, das auszusprechen.
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