Ziemlich genau 105 Jahre war die „SMS Scharnhorst“ verschollen. Am 8. Dezember 1914 hatte der Große Kreuzer der Kaiserlichen Marine, das Flaggschiff ihres Ostasien-Geschwaders, vor den Falklandinseln an der Südspitze Südamerikas der britischen Royal Navy ein legendäres Gefecht geliefert und war dabei mit Mann und Maus versenkt worden. Jetzt haben Meeresarchäologen um Mensun Bound im Auftrag des Falklands Maritime Heritage Trust das Wrack 180 Kilometer südöstlich der Inseln in 1610 Meter Tiefe entdeckt.
„Der Moment der Entdeckung war außergewöhnlich. Wir jagen oft Schatten auf dem Meeresboden, aber als die „Scharnhorst“ zum ersten Mal auftauchte, gab es keinen Zweifel daran, dass es sich um eines der deutschen Schiffe handelte“, sagte der Expeditionsleiter Mensun Bound. „Wir schickten einen Unterwasserroboter zur Erkundung hinunter und waren fast sofort in einem Trümmerfeld des Krieges. Plötzlich tauchte sie aus der Dunkelheit auf, mit großen Kanonen, die in alle Richtungen zeigten.“
Das Gefecht im ersten Jahr des Ersten Weltkriegs ging in die Geschichte des Seekrieges ein. Der deutsche Vizeadmiral Maximilian Graf Spee hatte nach seinem Sieg über ein englisches Geschwader bei Kap Coronel vor der Küste Chiles seinen Verband in den Atlantik geführt. Dort plante er einen riskanten Überraschungsschlag auf Port Stanley, den Hauptort der britischen Falklands. Doch zu seiner Überraschung lagen dort am Morgen des 8. Dezember deutlich überlegene Kräfte der Royal Navy. Sie nahmen schnellstmöglich die Verfolgung der deutschen Schiffe – neben der „SMS Scharnhorst“ noch ihr Schwesterschiff „SMS Gneisenau“ sowie die Kleinen Kreuzer „Nürnberg“, „Leipzig“ und „Dresden“.
Gegen 13 Uhr musste Spee erkennen, dass er dem Gegner nicht entkommen konnte – die Schiffe auf der gegnerischen Seite, vor allem die modernen Schlachtkreuzer „HMS Invincible“ und „HMS Inflexible“ waren sowohl schneller als auch stärker bewaffnet: Obwohl ungefähr gleich alt, liefen die britischen Schiffe fünf Knoten mehr Höchstgeschwindigkeit und verfügten mit acht 30,5-Zentimeter-Geschützen über deutlich mehr Feuerkraft als die beiden deutschen Kreuzer mit ebenso vielen 21-Zentimeter-Kanonen.
Daraufhin erteilte Spee einen klaren Befehl. „Kleine Kreuzer entlassen. Zu entkommen versuchen!“, ließ er um 13.20 Uhr an die anderen Schiffe signalisieren. Mit der „Scharnhorst“ und der „Gneisenau“ wollte er sich den überlegenen britischen Feinden stellen. Nur so konnte er wenigstens einen Teil seines Geschwaders retten.
Nach seinem Befehl ging Spee auf Gegenkurs und ließ zehn Minuten später das Feuer auf die britischen Schiffe eröffnen. Damit hatte Vizeadmiral Frederick Dobeton Sturdee, der Befehlshaber des Royal-Navy-Verbandes, nicht gerechnet.
So nahe rückten „Scharnhorst“ und „Gneisenau“ unter dauerndem Feuer an seine Schlachtkreuzer heran, dass die britischen Schiffe sogar in der Reichweite ihrer Mittelartillerie lagen. Die „HMS Invincible“ musste insgesamt 23 direkte Treffer einstecken. Sturdee ließ erst einmal abdrehen.
Nun machten Spees Schiffe kehrt und liefen mit voller Fahrt ab. Doch die Briten wussten um ihre Überlegenheit: Sie nahmen die Verfolgung auf und eröffneten um 14.50 Uhr ihrerseits das Feuer. Spee versuchte wiederum nicht zu entkommen, sondern wendete und lief auf den Feind zu, um ab 14.55 Uhr zurückzuschießen.
Die Briten wichen nach Nordosten aus, bis sie außer Reichweite der deutschen Artillerie waren, aber selbst noch gezielt feuern konnten; ihre Geschütze konnten deutlich weiter schießen. Gegen 15 Uhr erzielten die britischen Kanoniere schwere Treffer auf der Backbordseite der deutschen Kreuzer. Eine Stunde später entließ Spee auch die „Gneisenau“, doch ihm musste klar sein, dass sie keine Chance haben würde.
In einem letzten Versuch, den Gegner abzulenken, drehte er seinen gut 12.000 Tonnen schweren Kreuzer wie ein Torpedoboot auf den britischen Verband zu. Doch die jeweils 18.000 Tonnen großen „Invincible“ und „Inflexible“ schossen die „Scharnhorst“ zusammen. Um 16.17 Uhr sank das erst sieben Jahre alte Schiff.
Die „Gneisenau“ war zur selben Zeit schon schwer beschädigt, konnte nur noch aus zwei Geschützen feuern und lief nur noch 16 Knoten: Sie war leichte Beute. Nach weiteren schweren Treffern versenkte die eigene Besatzung das Schiff gegen 17.30 Uhr, nachdem alle Munition verschossen war. Nur 187 der rund 800 Mann an Bord konnten von den Briten aus dem eisigen Südatlantik gerettet werden.
Vizeadmiral Graf Spee hatte seinen Verband übrigens nicht retten können: Nur der Kleine Kreuzer „SMS Dresden“ entkam der Royal Navy. Die „Nürnberg“ und die „Leipzig“ wurden ebenfalls versenkt, außerdem zwei Versorgungsschiffe.
Auch der Kommandant des Geschwaders, Admiral Maximilian Graf von Spee, und seine zwei Söhne Otto und Heinrich wurden getötet. „Als eine der vielen Familien, die von den schweren Verlusten am 8. Dezember 1914 in der Schlacht vor den Falklandinseln betroffen waren, ist die Entdeckung der ,SMS Scharnhorst‘ für uns bittersüß“, sagte der Nachfahre des Admirals, Wilhelm Graf von Spee. „Wir trösten uns mit dem Wissen, dass die letzte Ruhestätte von so vielen gefunden wurde und jetzt erhalten werden kann, während wir gleichzeitig an den unsagbaren Verlust von Menschenleben erinnert werden.“
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