Gäste sind willkommen. Offiziell waren die Soldaten der sowjetischen, zuletzt der russischen Streitkräfte, die fast ein halbes Jahrhundert lang zwischen Elbe und Oder stationiert waren, „Gäste“. Im Rahmen des Warschauer Paktes hatte die DDR sie 1955 eingeladen, obwohl die damals rund eine halbe Million Mann längst da war.
In Wirklichkeit waren die Rotarmisten, wie man sie durchaus nennen darf, auch wenn die sowjetischen Streitkräfte den Namen Rote Armee 1946 offiziell abgelegt hatten, vor allem die Garanten der SED-Diktatur. Als es am 17. Juni 1953 ernst wurde und das Volk gegen Ulbricht, Pieck, Grotewohl und Genossen den Aufstand wagte, eilte die SED-Spitze in den Schutz des sowjetischen Militärs. Und als Erich Honecker und Egon Krenz 1989 auf Unterstützung dieser Truppen angewiesen waren, Michail Gorbatschow sich aber verweigerte, zerbrach ihr Regime wehrlos.
Von der sowjetischen Präsenz in Ostdeutschland ist wenig geblieben. Es gibt zwar die großen Memoriale wie zum Beispiel in Berlin im Tiergarten, in Treptow und in Schönholz. Es gibt zahlreiche weitere Friedhöfe, Gedenktafeln und Ähnliches, die an verstorbene sowjetische Soldaten und Kriegsgefangene erinnern.
Und es gibt natürlich das Deutsch-Russische Museum in Berlin-Karlshorst – genau an jenem Ort, an dem in der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1945 die rechtlich bedeutungslose zweite Gesamtkapitulation der Wehrmacht vollzogen wurde. Entscheidend war hingegen jene Unterschrift, die Generaloberst Alfred Jodl am 7. Mai 1945 im US-Hauptquartier in Reims unter die Kapitulationserklärung setzte.
Das Ende des Krieges in Europa
Am 7. Mai 1945 unterschrieben Vertreter der Wehrmacht in Reims die bedingungslose Kapitulation. Stalin aber bestand auf einer eigenen Zeremonie in Berlin-Karlshorst.
Quelle: Die Welt
Das Deutsch-Russische Museum hat jetzt in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaft der Bundeswehr in Potsdam eine Datenbank aller militärischen Standorte der sowjetischen Streitkräfte in Ostdeutschland veröffentlicht. Sie umfasst insgesamt 1115 Liegenschaften, die während der DDR-Zeit von sowjetischen Streitkräften benutzt wurden, an mehr als 620 Orten.
Ebenfalls zu finden sind die 3956 militärischen Standorte, die 1946 nach Angaben aus dem Generalstab der Roten Armee besetzt waren, diese allerdings in russischer Sprache. Dabei handelte es sich um Quartiere, die die sowjetischen Kampftruppen nach dem Sieg über Hitlers Wehrmacht noch für einige Monate benutzten, bevor die Truppen von der totalen Mobilisierung während des Krieges zurückgeführt wurden auf einen immer noch hohen, aber andauernd möglichen Personalstand.
Hinzugefügt sind zahlreiche Übersichts- und historische Detailkarten, die sich wohl als Fundgrube für Lokalhistoriker erweisen werden. Außerdem verzeichnet die Datenbank 1300 Feldpostnummern. Sie dürfte damit zu einem bevorzugten Arbeitsinstrument werden.
Denn man kann sich mit ihr leicht einen Überblick verschaffen über die Gliederung der sowjetischen Streitkräfte in der DDR in den späten 1980er-Jahren. Damals waren es noch rund 340.000 Soldaten und etwas mehr als 200.000 zivile Angehörige, darunter knapp die Hälfte Kinder. Mehr als zwei Prozent der Menschen, die insgesamt in der SED-Diktatur lebten, waren sowjetische Soldaten, ein weiteres gutes Prozent deren Angehörige.
Zum Vergleich: In der damaligen Bundesrepublik waren zur gleichen Zeit etwa 400.000 Mann Nato-Streitkräfte stationiert – ein Zweidrittelprozent. Die sowjetische Präsenz in der DDR war etwa dreimal so hoch wie die ausländischer Streitkräfte im Westen Deutschlands.
Vor allem rund um West-Berlin massierten sich sowjetische Standorte. Vielfach nutzten sie die Kasernenanlagen, die in den 1930er-Jahren schnell für die massiv ausgeweitete Wehrmacht errichtet worden waren. Aber auch das Olympische Dorf für die Sommerspiele in Berlin 1936 beherbergte eine Garnison.
Fast alle diese Standorte waren gar nicht oder nur höchst rudimentär saniert und modernisiert worden. Mannschaftsdienstgrade der sowjetischen Streitkräften waren bis zu ihrem endgültigen Abzug nach Russland 1994 meist in großen Schlafsälen untergebracht, manchmal mit bis zu 120 Betten. Untere und mittlere Offiziere wohnten meist in Plattenbauten. In Häusern und manchmal richtigen Villen residierte dagegen die Generalität. Rangunterschiede wirkten sich in der Armee der klassenlosen Gesellschaft mindestens genauso stark aus wie in demokratischen Gesellschaften.
Angesichts der miserablen Unterbringung der sowjetischen Soldaten mutete ihnen das Leben der DDR-Bürger fast als paradiesisch an. Angesichts dessen mussten die Offiziere ihre aus allen Teilen des Riesenreichs herbeigeholten Wehrpflichtigen von der normalen Bevölkerung möglichst abschotten. „Die Freunde“, wie man sie in Ostdeutschland halb zynisch, halb spöttisch nannte, waren nur selten und wenn, dann meist in Gruppen und unter Aufsicht außerhalb der Mauern ihrer Kasernen präsent. Sie waren eben doch keine willkommenen Gäste.
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