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Geschichte Frieden 1940?

Wie Churchill den Hitler-Versteher Halifax abservierte

Der Film „Die dunkelste Stunde“ dreht sich um den heftigen Konflikt zwischen dem britischen Premier und seinem Außenminister 1940. Lord Halifax wollte Friedensgespräche mit Hitler, Churchill den Sieg.
Leitender Redakteur Geschichte
Winston Churchill (1874 - 1965 left) walking down Whitehall, London, in conversation with British Foreign Secretary Lord Halifax (1881 - 1959), 29th March 1938. (Photo by H. F. Davis/Topical Press Agency/Hulton Archive/Getty Images) Getty ImagesGetty Images Winston Churchill (1874 - 1965 left) walking down Whitehall, London, in conversation with British Foreign Secretary Lord Halifax (1881 - 1959), 29th March 1938. (Photo by H. F. Davis/Topical Press Agency/Hulton Archive/Getty Images) Getty ImagesGetty Images
Winston Churchill (1874–1965) und sein Rivale Lord Halifax (r.; 1881–1959)
Quelle: Getty Images

Die Stimme zittert vor Zorn: „Es bleiben im Raum: der Viscount Halifax und Mr. Chamberlain. Alle anderen: raus!“ Winston Churchill ist die mühsam unterdrückte Wut anzuhören, als der britische Premierminister in der Schlüsselszene des aktuellen Kinofilms „Die dunkelste Stunde“ von Joe Wright seine beiden Hauptrivalen im Kriegskabinett zur entscheidenden Konfrontation stellt.

Die Szene spielt Ende Mai 1940. Außenminister Halifax drängt seit Tagen darauf, mit Mussolinis Italien Möglichkeiten eines Verständigungsfriedens mit Adolf Hitlers Drittem Reich zu sondieren. Churchill dagegen, erst seit knapp drei Wochen im Amt und bei seiner eigenen Partei, den Konservativen, höchst unbeliebt, setzt auf Sieg. Nun stellt der Chefdiplomat dem Premier ein Ultimatum: Entweder bekenne sich Churchill zur Notwendigkeit von Friedensgesprächen – oder Halifax werde zurücktreten. Scheinbar knickt der Regierungschef ein.

Oldman führt durch „die dunkelste Stunde“ Großbritanniens

In „Die dunkelste Stunde“ spielt Gary Oldman den britischen Premierminister Winston Churchill, der Großbritannien durch die dunkelste Stunde, den Zweiten Weltkrieg, führt.

Quelle: Universal

Edward Frederick Lindley Wood, Viscount Halifax (1881–1959) war bereits seit Anfang 1938 Außenminister und galt als der Architekt der Appeasement-, der Beschwichtigungspolitik. Obwohl sie seit dem „Anschluss“ Österreichs über das der Tschechoslowakei aufgezwungene Münchner Abkommen 1938, das Hitler bereits ein halbes Jahr später wieder brach, und bis zum Überfall der Wehrmacht auf Polen am 1. September 1939 eigentlich immer nur Großbritanniens Position verschlechtert hatte, hielt er daran fest.

Man müsse „Bedingungen“ für ein Ende des Krieges aushandeln, erklärte Halifax bis Ende Mai 1940 jedem im engeren Kreis der Regierung und der britischen Spitzenpolitik, der es hören wollte oder auch nicht. Gewicht bekam sein Wort, weil seine persönliche Nähe zu König Georg VI. allgemein bekannt war. Zudem gehörte Halifax per Erbe als Mitglied dem Oberhaus an (und durfte deshalb in Unterhausdebatten nur auf der Besuchertribüne Platz nehmen) und war daher bestens vernetzt in der britischen Oberschicht.

Winston Churchill setzte sich durch – in Joe Wrights eindrucksvollem Kinofilm vor allem dank seiner rhetorischen Fähigkeiten und dank des geglückten Experiments, mit Hunderten Schiffen und Booten den Großteil des britischen Berufsheeres aus dem Kessel von Dünkirchen zu evakuieren. In Wirklichkeit war es nicht ganz so einfach und dauerte auch viel länger: Erst unmittelbar vor Weihnachten 1940 wurde Churchill seinen Intimfeind los und schob ihn als Botschafter nach Washington D.C. ab, eine unbedeutende Position, denn der Premier pflegte regelmäßig selbst mit US-Präsident Franklin D. Roosevelt zu telefonieren. Halifax’ Nachfolger im Kabinett wurde Anthony Eden.

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Der Konflikt zwischen Halifax und Churchill Ende Mai 1940 ist ein zentrales Kapitel der britischen Zeitgeschichte. Im Kern handelt es sich um die Auseinandersetzung zwischen einem Bedenkenträger, der stets nach dem Weg des geringsten Widerstandes sucht und sich damit, ohne es selbst zu merken, immer mehr in eine Sackgasse manövriert, und einem zielbewussten und risikobereiten Politiker.

British Conservative statesman Edward Frederick Lindley Wood, Lord Halifax (1881 - 1959) seeing off the German Ambassador Herr von Ribbentrop (1893 - 1946) at Victoria Station, prior to his departure for Berlin for talks with Hitler. (Photo by Topical Press/Getty Images) Getty ImagesGetty Images
Halifax und Joachim von Ribbentrop, bis 1938 Hitlers Botschafter in London
Quelle: Getty Images

Halifax war tatsächlich so etwas wie ein „Hitler-Versteher“, wenngleich er in seinem Hochmut den „Führer und Reichskanzler“ zutiefst verachtete, wie umgekehrt der NSDAP-Chef den Briten einen „Heuchler der schlimmsten Art“ nannte. Am 19. November 1937 traf er, als seinerzeit designierter künftiger britischer Außenminister, Hitler auf dem Berghof oberhalb von Berchtesgaden. Beinahe hätte der Gast dem Gastgeber, den er nicht erkannt hatte und für einen Lakaien hielt, seinen Mantel in die Hand gedrückt.

Im folgenden Gespräch attackierte Hitler Halifax wiederholt – doch der hatte nichts Besseres zu tun, als politische Positionen des Vereinigten Königreichs zu räumen. Er sagte, London akzeptiere, dass „früher oder später“ gewisse „Änderungen der europäischen Ordnung“ kommen müssten, in erster Linie im Hinblick auf Österreich, das Sudetenland und die Freie Stadt Danzig. Ihm käme es nur darauf an, dass diese „Änderungen“ friedlich vonstatten gingen, ohne „weitergehende Störungen“.

8th November 1939: The British War Cabinet with Sir John Anderson , Mr Leslie Hore-Belisha, Mr Winston Churchill (1849-1895), Sir Kingely Wood, Mr Anthony Eden (1897-1977), Sir Edward Bridges, Lord Halifax, Sir John Simon and Sir Neville Chamberlain (1869-1940) among others. (Photo by Fox Photos/Getty Images) Getty ImagesGetty Images
Das britische Kriegskabinett 1939: Premier Chamberlain (sitzend M.), Churchill (hinter ihm), Halifax (sitzend l.) und sein Nachfolger Eden (stehend 2. v. r.)
Quelle: Getty Images

Das war genau die entgegengesetzte Position zu Churchill, der ebenfalls seit 1937 bei jeder Gelegenheit vor Hitler und seinem unbändigen Expansionswillen warnte. Solange der konservative Premier Neville Chamberlain Halifax’ Appeasement-Politik umsetzte, galt Churchill als Außenseiter – bis sich Ende Mai 1940 während der demütigenden Niederlage des britischen Heeres in Frankreich die Kräfteverhältnisse auf einmal umkehrten: Im Angesicht der drohenden Niederlage bäumte sich Großbritannien auf; aus dieser Leistung bezieht die Nation bis heute den wesentlichen Teil ihres Selbstbewusstseins.

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Da passte Halifax nicht mehr hinein. Zuerst bemühte er sich noch, mit scharfen Reden dem Kurs des ihm verhassten Churchill nachzueifern. Doch in Wirklichkeit war er ein Außenminister auf Abruf. Ein zu schneller Rücktritt hätte aber beiden Rivalen geschadet.

Die Schonfrist währte bis Anfang November 1940. Dann attackierte der Labour-Abgeordnete Aneurin Bevan Halifax im Unterhaus: „Das Foreign Office war in den vergangenen zehn Jahren für eine lange, ununterbrochene Reihe von Desastern verantwortlich. Es ist das schlechteste Ministerium der Regierung.“ Das richtete sich direkt gegen Halifax, der von 1931 bis 1938, wenngleich noch nicht Außenminister, so etwas wie die graue Eminenz der britischen Diplomatie gewesen war.

Wendell Willkie and British Amb. Lord Halifax at the White House Correspondents Association Banquet. March 16, 1941. After Wendell Willkie's defeat by FDR in the 1940 election, Roosevelt enlisted him as a personal representative to foreign leaders. (CSU_2015_11_1448) | Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
Halifax als britischer Botschafter in Washington
Quelle: picture alliance / Everett Colle

Diese Chance nutzte Churchill und schrieb US-Präsident Roosevelt so zuckersüß wie erkennbar ironisch: „Ich habe nun entschieden, Sie um Ihre Erlaubnis zu bitten, Lord Halifax zum Botschafter in den USA zu ernennen. Ich muss Ihnen nicht sagen, ein was für großer Verlust das für mich persönlich wie für das Kriegskabinett ist.“ Er empfinde es als seine Pflicht, „an Ihrer Seite den wichtigsten meiner Kabinettskollegen zu platzieren“. Die USA waren zu diesem Zeitpunkt noch neutral und sollten es bis zum japanischen Angriff im Dezember 1941 auch formal bleiben.

Damit war der Viscount Halifax endgültig abgeschossen. Als Botschafter in den USA misslang ihm fast alles, was er anfasste – und gab so die perfekte Negativfolie für Churchill ab, der alle wichtigen Fragen mit Roosevelt direkt erörterte. So war der widerlegte Hitler-Versteher schließlich doch noch dem Kriegspremier von Nutzen.

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