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Geschichte Bundestagswahl 2017

Was NSDAP und AfD verbindet – und was sie trennt

Der Erfolg der Rechtspopulisten von der AfD provoziert Vergleiche mit der Hitler-Bewegung in der Weimarer Republik. Tatsächlich gibt es Ähnlichkeiten, aber auch deutliche Unterschiede. Ein Überblick.
Leitender Redakteur Geschichte
Nach ihrem Erdrutschsieg im September 1930 konstituierte sich die NSDAP-Reichstagsfraktion. Vorne Berlins Gauleiter Joseph Goebbels (2.v.l.) Nach ihrem Erdrutschsieg im September 1930 konstituierte sich die NSDAP-Reichstagsfraktion. Vorne Berlins Gauleiter Joseph Goebbels (2.v.l.)
Nach ihrem Erdrutschsieg im September 1930 konstituierte sich die NSDAP-Reichstagsfraktion. Vorn Berlins Gauleiter Joseph Goebbels (2. v. l.)
Quelle: picture-alliance / akg-images

Der Erdrutsch kam nicht überraschend. Seit Monaten hatten steigende Ergebnisse bei Landtagswahlen auf einen bevorstehenden Erfolg der Rechtsradikalen hingewiesen. Trotzdem war das Erschrecken groß, als die konkreten Ergebnisse bekannt wurden: Die bereits erledigt geglaubte Partei hatte je nach Wahlkreis ihren Stimmanteil mal versechsfacht, mal verdreißigfacht. Am Ende lautete das Ergebnis 18,3 Prozent für die NSDAP.

Auf solche Zuwächse wie die Hitler-Bewegung bei der Reichstagswahl am 14. September 1930 kam die AfD bei der Bundestagswahl 2017 zwar nicht: Ihr Gesamtergebnis konnten die Rechtspopulisten gegenüber 2013 auf 12,6 Prozent knapp verdreifachen. Trotzdem wird bereits vielfach der Vergleich mit der Hitler-Bewegung gezogen. Natürlich darf man, mit der bei Nazi-Vergleichen angemessenen Sorgfalt, beide Parteien parallel betrachten; es ist sogar die einzige Möglichkeit, neben Ähnlichkeiten auch konkrete Unterschiede festzustellen.

AfD wird drittstärkste Kraft, in Sachsen sogar stärkste

Die Alternative für Deutschland zieht als drittstärkste Kraft in den Bundestag ein. In Sachsen erreichte die rechtspopulistische Partei sogar 27 Prozent. In Berlin gehen zahlreiche Menschen empört auf die Straße.

Quelle: N24/Sandra Saatmann

Wie die NSDAP 1930 ist die AfD eine (noch relativ kleine) Volkspartei des Protestes. Nicht ein bestimmtes Milieu (wie in der Weimarer Republik die Katholiken bei der Zentrumspartei oder wie 2017 bei den Grünen das städtische linksliberale Bürgertum) hat blau gewählt. Sondern enttäuschte, frustrierte, vielfach angsterfüllte Menschen, die sich in ihrem vermeintlichen Elend gefallen.

Eine weitere Ähnlichkeit erkennt man, wenn man die wesentlichen Feindbilder von NSDAP und AfD betrachtet. Die Hitler-Bewegung polemisierte erstens hochaggressiv gegen die „November-Verbrecher“ – gemeint waren damit die Politiker, die im November 1918 den Ersten Weltkrieg beendet hatten. Zweitens gegen die damaligen Medien – Hitler schrieb in „Mein Kampf“ von der „mit jedem Mittel der Verleumdung und einer wahrhaft Balken biegenden Lügenvirtuosität arbeitende Tagespresse“. Drittens gegen die „Systemparteien“, also alle demokratischen Parteien.

Die Feindbilder gleichen sich

Die AfD konzentriert ihre Hetze auf den Slogan „Merkel muss weg“ und schickte im Wahlkampf Rollkommandos mit Trillerpfeifen zu jedem Auftritt der Kanzlerin. Die Klage über die vermeintliche „Lügenpresse“ gehört zur DNA jedes AfD-Anhängers. Statt gegen die „Systemparteien“ attackiert die AfD die „Altparteien“.

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Noch deutlicher als in diesen drei Punkten ist die Ähnlichkeit zwischen NSDAP und AfD beim alles dominierenden Feinbild: Die Funktion, die der Antisemitismus bei allen Hitler-Anhängern hatte, als „Kitt der Bewegung“, entspricht dem Islamhass als einigendem Band aller Gauland-Weidel-Wähler. Wie einst in der NSDAP gibt es auch in der AfD unterschiedlich scharfe Ausprägungen dieses Ressentiments. Aber wer Muslime nicht aggressiv ablehnt, kann die Rechtspopulisten nicht unterstützen.

Eher eine Ähnlichkeit am Rande ist die gleichermaßen schizophrene Situation, in der sich der SA-Chef Ernst Röhm und die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel befinden: Röhm gehörte als Schwuler zur Führung einer offen homophoben Bewegung, und Weidel ist eine lesbische Frau an der Spitze einer vermeintlich auf traditionelle Familienwerte verpflichteten Partei. Derlei kann man, wenn überhaupt, höchstens mit Selbsthasserklären.

Trotz all dieser Ähnlichkeiten wäre es jedoch ganz falsch, NSDAP und AfD gleichzusetzen. Denn der seriöse Vergleich offenbart eben auch viele Unterschiede. Die bei Weitem wichtigsten betreffen das Führungspersonal und das Engagement der Mitglieder.

Die Hitler-Partei scharte sich um den für seine Zeit perfekten Agitator Adolf Hitler und eine verschworene, spätestens seit 1928 vollständig auf den Mann an der Spitze eingeschworene Führung. Selbst der einzige nennenswerte Konkurrent, Reichsorganisationsleiter Gregor Straßer, buhlte stets um Anerkennung des Parteichefs, stellte sich aber nie offen gegen ihn.

Die disparate Führung der AfD

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Die AfD hat hingegen mit Alexander Gauland einen verbittert wirkenden alten Mann als Galionsfigur, der seine provokanten Reden vom Blatt ablesen muss; mit Alice Weidel eine offenbar der Reichsbürger-Ideologie nahestehende junge Frau, die mit einer Partnerin aus einem ganz anderen Kulturkreis ein geradezu typisch grünes Lebensmodell lebt; mit Frauke Petry und Jörg Meuthen zwei an sich bedeutungslose Co-Vorsitzende, die nichts als heftigste Feindschaft miteinander verbindet. Petry bringt sogar das Kunststück fertig, am Tag nach der Wahl die eigene Partei vor den Kopf zu stoßen.

Ähnlich unterschiedlich sieht es bei den Mitgliedern aus: Die NSDAP konnte ihre Anhänger zu enormem Einsatz mobilisieren, viele spendeten buchstäblich ihre letzten Pfennige und opferten ihre Freizeit, um für Hitler Wahlkampf zu machen. Die AfD hingegen muss ihre radikalen Anti-Merkel-Demonstranten mit Mails aufrufen, von Wahlkampfauftritt zu Wahlkampfauftritt der Kanzlerin zu fahren.

Die bei Weitem größte Diskrepanz jedoch herrscht bei den Verhältnissen, in denen die beiden Parteien ihren Erdrutschsieg erzielten. Im Herbst 1930 befand sich die deutsche wie die Weltwirtschaft insgesamt im freien Fall. Die Arbeitslosenzahlen schnellten nach oben, die Einkommen brachen weg.

Vollkommen anders die Situation heute: Trotz großer Probleme wie dem globalen Terror oder dem unberechenbaren Donald Trump geht es den Deutschen heute besser denn je. Noch nie gab es so viele Arbeitsplätze, noch nie wurde so viel konsumiert wie heute. Selbst die noch verbliebenen Arbeitslosen leben weitaus besser als durchschnittliche Beschäftigte 1930. Die Angstfantasien einer vermeintlichen „Umvolkung“ oder des bevorstehenden „Untergangs“ haben keinerlei Begründung in der Realität.

Eine zumindest in Teilen rechtsextreme Partei

Der seriöse Vergleich von NSDAP und AfD zeigt also, dass es zwar einige Ähnlichkeiten, aber auch wichtige Unterschiede zwischen den Populisten um 1930 und heute gibt. Beruhigend ist das allerdings nicht wirklich.

Denn mit der AfD ist erstmals eine zumindest in Teilen rechtsextreme Partei in Fraktionsstärke in den Bundestag eingezogen. Sie werden, selbst wenn sie sich bald spalten und dann mit dem absehbaren Ende von Angela Merkels Kanzlerschaft ihr zentrales Feindbild verlieren sollten, dieses Land verändern. Natürlich nicht zum Guten, denn das tun radikale Parteien niemals.

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