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Geschichte Aktenfund

Als die USA Atomwaffen auf Island stationieren wollten

Der Vorstoß eines US-Senators alarmierte in den 1950ern die Regierung von Island: Planten die USA die Lagerung von Atomwaffen? Akten des State Department belegen jetzt eine Doppelstrategie.
Leitender Redakteur Geschichte
Terminal Hotel at Keflavik Airport, Iceland (National Archives, Still Pictures Branch, RG 342-B, box 1458, Foreign Locations—Iceland) Terminal Hotel at Keflavik Airport, Iceland (National Archives, Still Pictures Branch, RG 342-B, box 1458, Foreign Locations—Iceland)
Islands wichtigster Flughafen Keflavik, 50 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Reykjavík, Mitte der 1950er-Jahre
Quelle: National Archives

Eine gute strategische Lage kann sich kein Land der Welt aussuchen. Es hat sie – oder hat sie nicht. Island, mitten im Nordatlantik auf halbem Weg zwischen Westeuropa und Nordamerika gelegen, hat strategisch hohen Wert. Das war schon zu den Zeiten der Wikinger so, und das war während des Kalten Krieges der Supermächte nicht anders.

Traditionell hat das Land mit nicht einmal einer halben Million Einwohner keine eigene Armee. Im Zweiten Weltkrieg besetzten deshalb zuerst britische, dann ab Juni 1941 amerikanische Soldaten die Insel, die staatsrechtlich zum von Deutschland eroberten Dänemark gehörte. Das Ziel war, sie vor einer denkbaren deutschen Invasion zu schützen.

1949 gehörte das inzwischen unabhängige Island zu den Gründungsmitgliedern der Nato – mit dem Zugeständnis, keinen eigenen Militärbeitrag leisten zu müssen. Im Mai 1951 schlossen deshalb die USA und Island ein Militärbündnis, das über die Verpflichtungen aus dem Nordatlantikpakt hinaus den Schutz durch amerikanische Truppen vorsah.

Diplomatische Akten aus den Jahren 1951 bis 1960, die jetzt vom National Security Archive (NSA) veröffentlicht wurden, zeigen den holprigen Beginn dieser Partnerschaft. Denn schon bald brach Streit um die Stationierung von Atomwaffen aus.

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Das NSA, nicht zu verwechseln mit dem identisch abgekürzten US-Geheimdienst National Security Agency, ist ein unabhängiges Forschungsinstitut an der George Washington University in Washington D.C. und macht regelmäßig Aktenfunde aus US-Archiven bekannt. In der neuesten Veröffentlichung sind Unterlagen aus den Beständen des US-Außenministeriums enthalten.

Ausgelöst hatte den Streit der US-Senator Edwin C. Johnson, ein demokratischer Hinterbänkler aus Colorado. Gegenüber einem Journalisten der Londoner „Times“ hatte er Anfang November 1951 gesagt, Nordafrika, die Türkei und eben Island seien bessere Standorte für Atomwaffen als England.

Pictured here is a MK-101 “Lulu” nuclear depth bomb. which the U.S. Navy could have deployed to a storage site at Kefllavik airport, Iceland, in the event of World War III. (Source: photograph by Mike Fazarckly at Nuclear Weapons: A Guide to British Nuclear Weapons. Thanks to Stephen Schwartz for pointing out these photos.)
Atomare Wasserbomben gegen U-Boote vom Typ MK-101 “Lulu” gehörten nach Angaben des National Security Archive möglicherweise zu den Atomwaffen, die für die Lagerung auf Island vorge...sehen waren
Quelle: Mike Fazarckly/The National Security Archive

Das rief unmittelbar Islands Außenminister Bjarni Benediktsson auf den Plan. Er fragte den US-Geschäftsträger in Reykjavík, was es mit der Äußerung auf sich habe. Morris N. Hughes informierte Washington und bat um Weisung.

Schon wenige Tage später griff die isländische Opposition, die Kommunistische Partei, die unbedachte Äußerung von Johnson auf. In ihrer Zeitung hieß es, die USA kümmerten sich nicht darum, welche Bedrohung amerikanische Atomwaffen auf Island darstellten.

Als es auch kurz vor Weihnachten keine Antwort aus den USA gab, hakte Benediktsson nach. Endlich kam eine Antwort, unterschrieben von Außenminister Dean Acheson. Sie enthielt klare Weisungen: Jedes öffentliche Statement habe zu unterbleiben, weil das die Politik der US-Regierung untergraben könne, „Gerüchte über Atomwaffen weder zu bestätigen noch zu dementieren“.

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Gleichzeitig autorisierte Acheson den US-Vertreter auf Island, Benediktsson mitzuteilen, dass die USA „keinerlei Bewegung“ in der Frage von Atomwaffen auf Island machen würden „ohne die volle Einbindung und Zustimmung der Regierung“ in Reykjavík. Damit endet die Überlieferung von Akten zu dieser ersten Auseinandersetzung.

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Quelle: N24

Achteinhalb Jahre später, Ende Juni 1960, griff der inzwischen amtierende Außenminister Islands Guðmundur Guðmundsson die Diskussion wieder auf. Er wollte von US-Botschafter Tyler Thompson wissen, ob vom US-Stützpunkt auf Island Spionageflüge mit Maschinen des Typs U-2 gestartet seien. Kurz zuvor war eine U-2 über der Sowjetunion abgeschossen worden. Und er wollte Aufklärung darüber, ob auf Island US-Atomwaffen gelagert oder umgeladen worden seien.

Thompson empfahl eine eindeutige Antwort. Und bekam eine Weisung wie sein Vorgänger Morris N. Hughes Ende 1951: Intern könne er versichern, dass die USA keine Atomwaffen auf Island stationiert hätten. Nur öffentlich dürfe diese Mitteilung nicht werden.

Einen Monat später kam mit diplomatischer Post ein ausführliches Schreiben bei der US-Botschaft in Reykjavík an, verfasst vom stellvertretenden Abteilungsleiter für Europa Ivan White, das nicht erhalten ist.

U.S. Ambassador to Iceland Tyler Thompson, whose long letter to the State Department raised critical questions about the possibility of secret nuclear deployments in Iceland (National Archives, Still Pictures Branch, RG 59-SO, box 17).
Tyler Thompson war Anfang der 1960er-Jahre US-Botschafter in Reykjavík
Quelle: The National Security Archive

Doch aus Thompsons Antwort kann man schließen, was darin gestanden haben muss. Offenbar hatte White mitgeteilt, dass sich die US-Regierung durch die geschlossenen Abkommen frei fühle, Atomwaffen zu stationieren, wo immer sie das für richtig hielt.

Die Experten des National Security Archive schließen daraus, dass die USA unter Präsident Dwight D. Eisenhower von der Politik der Vorgängerregierung von Harry S. Truman und Außenminister Dean Acheson abgerückt waren, „ohne die volle Einbindung und Zustimmung der Regierung“ in Reykjavík keine Atombomben zu stationieren. Eine Bestätigung, dass tatsächlich solche Waffen, vor allem nukleare Wasserbomben gegen sowjetische U-Boote, auf Island stationiert seien, war das aber auch nicht.

Thompson teilte mit, im Falle eines bevorstehenden Krieges sei die Lagerung von Atomwaffen auf Island akzeptabel, im Frieden allerdings solle man die Zustimmung der Regierung in Reykjavík suchen.

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Spannend sind nicht zuletzt die handschriftlichen Vermerke auf Thompsons Brief, wahrscheinlich von White geschrieben. Da steht neben der Aussage des Botschafters, in Nato-Ländern würden US-Atomwaffen auch nicht ohne Zustimmung der jeweiligen Regierungen gelagert, ein klares „No!“ Der Kontext des Schreibens legt nahe, dass sich die Verneinung auf Thompsons Aussage bezog und nicht als Bestätigung gedacht war. Aber eindeutig ist diese Interpretation nicht.

Weitere Unterlagen werden laut NSA noch zurückgehalten. Der Grund sei, dass die Veröffentlichung die Beziehungen der USA zu anderen Staaten untergraben könnten. „Ob die Deklassifizierung eines Dokuments, das deutlich mehr als ein halbes Jahrhundert alt ist, solchen Einfluss auf die US-Diplomatie oder militärische Planungen haben kann, ist äußerst zweifelhaft“, schreiben die Forscher.

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