WELTGo!
Ihr KI-Assistent für alle Fragen
Ihr KI-Assistent für alle Fragen und Lebenslagen
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Geschichte
  3. Der Weg in den Krieg: „Zustand drohender Kriegsgefahr“ sorgt für Jubel

Geschichte Der Weg in den Krieg

„Zustand drohender Kriegsgefahr“ sorgt für Jubel

31. Juli 1914: Wie es in Preußen Tradition war, verkündet ein Gardeoffizier vor dem Berliner Zeughaus den Beginn der Mobilisierung. Die Begeisterung darüber wird nicht von allen Zeitgenossen geteilt.
Leitender Redakteur Geschichte
Kurz nach 16 Uhr verkündet Oberleutnant Max von Viebahn vor dem Zeughaus: „Seine Majestät der Kaiser haben auf Grund des Artikels 68 der Reichsverfassung das Reichsgebiet ohne Bayern in Kriegszustand erklärt. Für Bayern ergeht die gleiche Anordnung.“ Kurz nach 16 Uhr verkündet Oberleutnant Max von Viebahn vor dem Zeughaus: „Seine Majestät der Kaiser haben auf Grund des Artikels 68 der Reichsverfassung das Reichsgebiet ohne Bayern in Kriegszustand erklärt. Für Bayern ergeht die gleiche Anordnung.“
Kurz nach 16 Uhr verkündet Oberleutnant Max von Viebahn vor dem Zeughaus: „Seine Majestät der Kaiser haben auf Grund des Artikels 68 der Reichsverfassung das Reichsgebiet ohne Baye...rn in Kriegszustand erklärt. Für Bayern ergeht die gleiche Anordnung.“
Quelle: Public Domain; Montage Stefan Eisenberg

Die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Frau am 28. Juni 1914 in Sarajevo setzte hektische politische Aktivitäten in Gang. Sie sind unter dem Begriff „Juli-Krise“ in die Geschichte eingegangen. Dass am Ende der Ausbruch eines Weltkriegs stehen würde, war keineswegs ausgemacht. Politiker und Diplomaten suchten nach Lösungen für eine ganze Reihe von Konflikten, deren Tragweiten und Verflechtungen sie kaum zu überblicken vermochten.

Als „Schlafwandler“ beschreibt der australische Historiker Christopher Clark die Akteure von 1914: von Albträumen geplagt, aber unfähig, die Realität der Gräuel zu erkennen, die sie in Kürze in die Welt setzen würden. Damit hat er eine neue Debatte über die Ursachen des Kriegsausbruchs angestoßen. Andere finden den Begriff „Zocker“ treffender. Zahlreiche Bücher, Ausstellungen und Tagungen treiben das Thema weiter. Lesen Sie auf welt.de/themen/juli-krise, wie im Sommer 1914 die Chance auf Frieden vertan wurde und wann die Entscheidung zum Krieg fiel.

„Der schweißige Atem des Fiebers“

Rituale schweißen zusammen; das ist ihre wichtigste Funktion. Für die Politik gilt das nicht weniger als im Sport oder bei ganz privaten Anlässen.

In Preußen war es seit Langem ein Ritual, dass wichtige Nachrichten politisch-militärischer Art vor dem Zeughaus verkündet wurden. Es gehörte zu den Aufgaben der jeweiligen Schlosswache, die entsprechende Nachricht bekannt zu geben.

Lesen Sie auch

Am Freitag, dem 31. Juli 1914, war es nach langer Zeit wieder einmal so weit. Es war ein warmer Nachmittag; hell strahlte es vom stahlblauen Himmel herab: „In diese sonnige Luft mischte sich der schweißige Atem des Fiebers, drang schon ein Geruch von Blut“, empfand Theodor Wolff, der Chefredakteur des „Berliner Tageblatts“, düster.

Gegen 16 Uhr verließ ein Trupp von knapp 30 Soldaten das Stadtschloss, an der Spitze Oberleutnant Max von Viebahn. Die Gardesoldaten des Alexanderregiments bahnten sich einen Weg durch das Menschengewühl und marschierten über die Schlossbrücke zum Zeughaus, dem Kriegsmuseum der preußischen Monarchie.

Die Uniformierten räumten einen rechteckigen Raum um ihren Offizier frei, dann zog Viebahn ein Blatt heraus und deklamierte mit lauter Stimme: „Aus Petersburg ist heute die Nachricht des deutschen Botschafters eingetroffen, dass die allgemeine Mobilmachung der russischen Armee und Flotte befohlen worden ist. Darauf haben Seine Majestät der Kaiser den Zustand der drohenden Kriegsgefahr befohlen.“

„Eine nicht zu beschreibende Begeisterung“

Nach einer kurzen Pause fuhr der 26-jährige Offizier fort: „Seine Majestät der Kaiser haben auf Grund des Artikels 68 der Reichsverfassung das Reichsgebiet ohne Bayern in Kriegszustand erklärt. Für Bayern ergeht die gleiche Anordnung.“

Damit war die Verlautbarung beendet. Nach wenigen Sekunden reagierten die Zuhörer mit stürmischen „Hoch!“- und „Hurra!“-Rufen, während Viebahn und seine Soldaten zurück zum Stadtschloss marschierten.

Anzeige

Zehntausende Schaulustige, ohnehin jederzeit zu Begeisterungsstürmen für den Kaiser bereit, sangen nun „Heil dir im Siegeskranz!“ und „Deutschland, Deutschland über alles!“ Die Stimmung, bis zur Verkündung der Nachricht noch durchaus gespannt, schlug in Euphorie um.

In der Menge stand Otto Braun. Der 17-jährige Sohn eines sozialdemokratischen Publizisten und einer Generalstochter war eigens von Kleinmachnow weit im Südwesten in die Stadt gefahren, um den großen, den historischen Moment nicht zu verpassen.

Der Mythos des „August-Erlebnisses“

Ganz ergriffen notierte er wenig später in sein Tagebuch: „Nach Berlin. Kriegszustand erklärt. Eine nicht zu beschreibende Begeisterung herrscht, die Haltung der Bevölkerung ist so vorzüglich, wie man es nicht für möglich gehalten hätte.“ Das Ritual hatte sein Wirkung getan.

Als der Trupp um Oberleutnant von Viebahn noch auf dem Rückweg ins Stadtschloss war, begannen im nahe gelegenen Berliner Zeitungsviertel schon die ersten Druckmaschinen zu rotieren. Denn der Text der Proklamation war aus dem Schloss telefonisch in die Redaktionen übermittelt und mit höchster Dringlichkeit gesetzt worden: Innerhalb weniger Minuten erschienen die ersten Extrablätter mit der Neuigkeit.

Gleichzeitig brachten Postbeamte die Telegrafendrähte zum Glühen, indem sie die Proklamation so schnell wie möglich im gesamten Reich verbreiteten. Innerhalb kurzer Zeit kam die Nachricht in allen größeren Städten an. Und überall waren die Reaktionen ähnlich: Kriegsbefürworter feierten auf den Straßen, Kriegsgegner zogen sich zurück. Das Ritual der Verkündung vor dem Zeughaus hatte einen neuen Mythos geboren: das „August-Erlebnis“.

Die Juli-Krise Tag für Tag auf welt.de/themen/juli-krise

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema