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Geschichte Der Weg in den Krieg

Frankreich bekräftigt den Pakt mit Russland

21. Juli 1914: Beim Staatsbesuch in St. Petersburg bestätigen der demokratisch gewählte Präsident Frankreichs und der autokratisch regierende Zar Nikolaus II. ihr unverbrüchliches Bündnis.
Leitender Redakteur Geschichte
In dieser Situation sei „die völlige Übereinstimmung zwischen unseren beiden Regierungen notwendiger denn je“, lässt der Zar (1868-1918) seinen französischen Gast (l.; 1860-1934) wissen. Dieser stimmt gern zu In dieser Situation sei „die völlige Übereinstimmung zwischen unseren beiden Regierungen notwendiger denn je“, lässt der Zar (1868-1918) seinen französischen Gast (l.; 1860-1934) wissen. Dieser stimmt gern zu
In dieser Situation sei „die völlige Übereinstimmung zwischen unseren beiden Regierungen notwendiger denn je“, lässt der Zar (1868-1918) seinen französischen Gast (l.; 1860-1934) w...issen. Dieser stimmt gern zu
Quelle: Public Domain; Montage Stefan Eisenberg

Die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Frau am 28. Juni 1914 in Sarajevo setzte hektische politische Aktivitäten in Gang. Sie sind unter dem Begriff „Juli-Krise“ in die Geschichte eingegangen. Dass am Ende der Ausbruch eines Weltkrieges stehen würde, war keineswegs ausgemacht. Politiker und Diplomaten suchten nach Lösungen für eine ganze Reihe von Konflikten, deren Tragweiten und Verflechtungen sie kaum zu überblicken vermochten.

Als „Schlafwandler“ beschreibt der australische Historiker Christopher Clark die Akteure von 1914: von Albträumen geplagt, aber unfähig, die Realität der Gräuel zu erkennen, die sie in Kürze in die Welt setzen würden. Damit hat er eine neue Debatte über die Ursachen des Kriegsausbruchs angestoßen. Andere finden den Begriff „Zocker“ treffender. Zahlreiche Bücher, Ausstellungen und Tagungen treiben das Thema weiter. Lesen Sie auf welt.de/themen/juli-krise, wie im Sommer 1914 die Chance auf Frieden vertan wurde und wann die Entscheidung zum Krieg fiel.

„Fürchtet der Zar die Masse?“

Ernsthafte Fragen bespricht man am besten unter vier Augen – es sei denn, das Protokoll lässt derlei nicht zu. Dann kann es die richtige Entscheidung sein, zum Telefonhörer zu greifen. Vorausgesetzt, man wird nicht abgehört.

Von der Villa Alexandria, dem Privatdomizil der Zarenfamilie in der Sommerresidenz Peterhof bei St. Petersburg, führte eine direkte Telefonleitung ins Staatsappartment im dortigen Schloss, bekannt als „russisches Versailles“. Also konnte Zar Nikolaus II. am Morgen des 21. Juli 1914 ohne jede Sorge seinen hochrangigen Besucher anrufen, Frankreichs Staatspräsidenten Raymond Poincaré. Die beiden sprachen Französisch miteinander, so dass ein Dolmetscher überflüssig war.

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Zwar hatten Präsident und Monarch schon am Vortag nach Poincarés Ankunft in Kronstadt miteinander geredet, doch auf die drängenden strategischen Fragen war das Gespräch nicht gekommen. Laut dem Tagebuch des Staatsbesuchers ging es um mehr praktische Fragen, vor allem die Auswirkungen des Linksschwenks in Frankreich auf die Zusammenarbeit mit Russland.

Am zweiten Tag des Staatsbesuchs sollten sich Gastgeber und Gast ungewöhnlicherweise nicht begegnen. Auf dem Programm stand nämlich ein Besuch in St. Petersburg, und dorthin wollte Nikolaus II. gerade nicht. In der Hauptstadt herrschten Streiks; es gab Zusammenstöße zwischen Gendarmerie und Arbeitern. „Fürchtet der Zar die Masse?“, fragte sich der Präsident in seinem Tagebuch, „oder verachtet er sie?“

Ein heikles Telefongespräch

Sprechen wollte Nikolaus mit Poincaré trotzdem, und deshalb rief er ihn um zehn Uhr an. Jetzt ging es um die wirklich wichtigen politischen Fragen.

Das erste Thema ihres Gesprächs waren die britisch-russischen Beziehungen. Ein kniffliges Thema, konkurrierten doch die Kolonialmacht Großbritannien und die Landmacht Russland vor allem in Asien miteinander.

Nikolaus ging den ersten Schritt und gestand ein: „Einige russische Diplomaten in Persien“ hätten die „Bestimmungen des britisch-russischen Abkommens von 1907 übertreten und sich benommen, als befänden sie sich in einem besetzten Land.“

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Für Poincaré war das ein erfreuliches Eingeständnis, weil der Zar seinen Stolz überwunden hatte und Fehler einräumte. Das war gut für die Entente, das gegen Deutschland gerichtete Bündnis von Frankreich, Großbritannien und Russland. Dieses war nämlich durchaus brüchig.

„Wichtig ist“, fuhr der Zar laut Poincarés Erinnerung fort, „dass kein Problem auftreten dürfe, das die guten Beziehungen zwischen England und Russland aufs Spiel setze.“ So weit wäre er vor den Ohren seines Außenministers Sergei Sasonow sicher nicht gegangen.

Gegen den britischen Vorschlag

Der Franzose wusste noch nicht, was Nikolaus II. am 19. Juli erfahren hatte: Österreich plante, Serbien ein scharfes Ultimatum zu stellen. Mit dieser Information wollte der Russe seinen Gast nicht überrumpeln – denn das hätte als Manipulationsversuch verstanden werden können.

Gleichwohl versuchte er, ein Einverständnis herzustellen, das die absehbare Unterrichtung Poincarés überstehen würde. „Die größte Sorge des Zaren galt Österreich“, hielt der Staatsgast fest: „Er wollte wissen, was es als Antwort auf die Morde von Sarajevo vorbereitete.“ In dieser Situation sei, so Nikolaus II., „die völlige Übereinstimmung zwischen unseren beiden Regierungen notwendiger denn je.“ Das sah der Präsident ähnlich.

In jedem Fall wollte er, dass Frankreich an allen diplomatischen Verhandlungen beteiligt war. Eine „conversation à deux“ zwischen Österreich-Ungarn und Russland, wie sie der britische Außenminister Edward Grey zur Lösung der Probleme rund um Serbien vorgeschlagen hatte, war für Poincaré keine Option.

Also bestätigte er Nikolaus II. die unbedingte Treue seines Landes für die kommenden Auseinandersetzungen. Dann ging es zum Sightseeing nach St. Petersburg, inklusive Kranzniederlegung und diplomatischer Empfänge.

Die Juli-Krise Tag für Tag auf welt.de/themen/juli-krise

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