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Immobilien Mehr als ein Keller

Reiche Londoner bauen luxuriöse Unterwelten

Von der Kletterwand bis zum Parkplatz: In Londoner Kellern eröffnet sich mitunter eine Parallelwelt Von der Kletterwand bis zum Parkplatz: In Londoner Kellern eröffnet sich mitunter eine Parallelwelt
Von der Kletterwand bis zum Parkplatz: In Londoner Kellern eröffnet sich mitunter eine Parallelwelt
Quelle: Stephanie Kock, Getty Images, Welt Edition/Montage
Viele Hausbesitzer in der britischen Hauptstadt haben ein Platzproblem: Der Pool ist zu klein und die teuren Oldtimer können unmöglich auf der Straße stehen. Dafür haben die Briten eine elegante, aber teure Lösung gefunden.

Das Havona House im feinen Londoner Stadtteil Notting Hill sieht schon von außen edel aus. Korinthische Säulen rechts und links des Eingangs, im ersten Stock ein Ziergiebel, unter dem Dach ein Fries, der einem alten Vorbild in Athen nachempfunden ist. Hinter der Fassade liegen zwei großzügige Wohn-Ess-Bereiche, einer im Souterrain, einer im ersten Stock, alles edel ausgestattet mit viel Holz, Marmor, Kaminen. Sieben Schlafzimmer, dazu eine Handvoll Marmorbäder, alles verbunden durch eine spiralförmige Wendeltreppe.

Für 25 Millionen Pfund (28,5 Millionen Euro) steht das Haus aktuell zum Verkauf. Das ist selbst für Londoner Verhältnisse üppig. Beim zweiten Blick auf das Angebot fällt allerdings auf, dass man immerhin 800 Quadratmeter Wohnfläche für das Geld bekommt. Allein – so ganz mag diese Zahl nicht passen zu dem doch eher kompakten Stadthaus von gerade mal acht Meter Breite.

Die Lösung des Rätsels liegt unter der Erde. Dort befindet sich nicht nur ein einfacher Keller, sondern ein gigantischer Unterbau, größer als das Haus selbst. Das erste Untergeschoss nimmt eine Garage ein, in der über vollautomatische Plattformen drei Fahrzeuge untergebracht werden können; daneben befinden sich drei Schlafzimmer mit jeweils dazugehörigem Bad.

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Noch einen Stock tiefer empfangen ein türkisches Dampfbad, ein geräumiger Wellness-Bereich und ein 21 Meter langer Swimmingpool, dessen Kachelboden mittels einer Hydraulik-Konstruktion bei Bedarf angehoben werden kann, um den Raum zur Tanzfläche umzufunktionieren. Noch ein Niveau darunter finden sich Technik- und Lagerräume.

„Eisberghäuser“ sind beliebt in London

Vier Jahre hat der Bau auf dem Grundstück eines ehemaligen Hotels gedauert. Mit 4,5 Millionen Euro haben allein die unterirdischen Räumlichkeiten zu Buche geschlagen. Das sei das extensive Souterrain allemal wert, ist der Bauherr, Immobilieninvestor Costas Diamantopoulos, überzeugt. Er hat den Pool in seinem Haus selbst ausgiebig genutzt und empfiehlt jedem, der die Möglichkeit habe, seinem Besitz unbedingt ein Kellergeschoss hinzuzufügen.

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Seit Jahren wird in London gebuddelt, dass die Wände wackeln. Für viele Eigentümer von Stadtvillen oder den allgegenwärtigen Reihenhäusern ist ein weiterer Keller eine beliebte Methode, zusätzlichen Platz zu schaffen. Als „Eisberghäuser“ sind diese Bauten inzwischen bekannt, weil sie wie Eisberge einen erheblichen Teil ihres Volumens unter der Oberfläche verbergen.

Allein 4650 Baugenehmigungen für zusätzliche Kellergeschosse wurden in den vergangenen zehn Jahren in sieben innerstädtischen Bezirken der Stadt erteilt, hat eine aktuelle Untersuchung von Roger Burrows, Professor an der Architektur-Fakultät der Universität Newcastle, ergeben. 112 der Bauwerke fallen in die Kategorie „Mega“. Dabei werden mindestens drei zusätzliche Stockwerke unter dem bestehende Grundriss des Gebäudes in die Tiefe gegraben.

London hat ein Platzproblem. Fast neun Millionen Einwohner verteilen sich auf fast 1600 Quadratkilometer. In den inneren Stadtteilen ist das Baugelände extrem knapp, die großen Grünflächen stehen unter besonderem Schutz. Zwar erstreckt sich um die Stadt ein riesiger Gürtel mit Pendler-Städten. Doch sie bieten nicht das gleiche kulturelle Umfeld der citynahen Regionen, von der Coolness ganz zu schweigen. Außerdem sind die Pendelzeiten im Vergleich zu deutschen Ballungszentren enorm, Busse und Bahnen sind überfüllt, Straßen verstopft.

Im zusätzlichen Keller können riesige Pools entstehen

Zusätzliche Wohnungen entstehen allerdings eher selten in Londons luxuriösen Stadthäusern. Vielmehr sind mit zunehmendem Wohlstand auch die Ansprüche gestiegen. Als „luxuriöses Höhlenleben“ bezeichnet Giles Barrett den Trend zum ausufernden Kellerausbau. Er ist Büroleiter für den Immobilienexperten Knight Frank im noblen Stadtteil South Kensington. Seit der Finanzkrise sei London einer kontinuierlichen „Plutokratisierung“ unterworfen, kritisiert er. Eine Herrschaft des Geldes habe dazu geführt, dass sich eine internationale Klasse von Superreichen an der Themse niederlässt.

Bei Eisberghäusern sind viele Varianten im Ausbau denkbar
Bei Eisberghäusern sind viele Varianten im Ausbau denkbar
Quelle: Infografik WELT
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So wie Roman Abramowitsch. Der russische Oligarch hat sich vor rund zehn Jahren eine Villa in Kensington Palace Gardens, gleich neben dem gleichnamigen Palast, geleistet. In der Allee, die wegen der zahlreichen Botschaften streng bewacht ist, zählen der indische Stahlmagnat Lakshmi Mittal, das Model Tamara Ecclestone, Tochter des Formel-1-Managers Bernie Ecclestone, und Leonard Blavatnik, der US-britische Unternehmer, dem Warner Music gehört, zu Abramowitschs Nachbarn.

Abramowitsch ließ als Erstes den viel zu kleinen Pool zuschütten und das entsprechende Stockwerk zum Dienstbotentrakt umbauen. Ein Stockwerk tiefer entstand ein komplett neuer Badebereich in einem Gewölbekeller nach viktorianischem Vorbild, mitsamt Dampfbad, Sauna und Umkleidekabinen. Nachbar Blavatnik hat unter seiner Villa laut Medienberichten eine mehrstöckige Garage eingebaut, zudem ein privates Kino, Massageraum, Weinkeller sowie ein Schwimmbad drinnen und draußen.

Auch große Weinkeller oder Kinos sind möglich

Unter den Mega-Projekten, die Burrows untersucht hat, sind solche luxuriösen Ausstattungen keine Seltenheit. Zwei Golf-Simulatoren, 15 Yoga-Räume und ein Panik-Raum gehören zur Liste der geplanten Nutzungen für unterirdische Erweiterungen. Beinahe konventionell muten da die 996 Fitnessräume, 376 Schwimmbäder, 381 Weinkeller, 456 Kinos, 65 Garagen und 115 Dienstbotenwohnungen an.

Er habe eine Reihe maßgeschneiderter Projekte gesehen, bestätigt Immobilienexperte Barrett. „Wir wissen von einem Sammler von Automobilen, dessen neu ausgehobene Kellerräume ein Karussell für seine liebsten Autos beherbergen. Und ein Hedgefonds-Manager mit einer Passion fürs Turmspringen hat sich einen Sprungturm in seine Kellerräume einpassen lassen.“

Solche Skurrilitäten bleiben trotz der vielen Superreichen in der Stadt die Ausnahme. Unter den von Burrows und seinen Kollegen ausgewerteten Anträgen aus den sieben Londoner Stadtteilen sind vier Fünftel einfache Unterkellerungen, also ein zusätzliches Geschoss mit zwei oder drei Wohnräumen unter der Grundfläche des Hauses. „Das gibt dem Eigentümer Spielraum, sich seine persönliche unterirdische Spielwiese zu schaffen“, erläutert Barrett.

Jungen Familien empfiehlt Mike Wiseman, Mitgründer des Basement Design Studio, zum Beispiel, über ein großes Spielzimmer im Keller nachzudenken, inklusive Geheimverstecken, Rutschen und Kletterwänden. Später lasse sich der Raum für Erwachsene umbauen. „Kellererweiterungen sind zwar eine teure Ergänzung zu Grundeigentum in London“, sagt Wiseman, „doch so wie die Wohnungspreise liegen, kann ein zusätzliches Geschoss den Wert der Immobilie um bis zu 40 Prozent erhöhen.“

Nachbarn wehren sich häufig gegen die Ausbauten

Allerdings wird es schwerer, ausufernde Ausbauten umzusetzen. Nachbarn erheben immer häufiger Einspruch, auch vor Gericht, schließlich ziehen sich die Arbeiten viele Monate hin, manchmal auch Jahre. In einem spektakulären Fall streiten der Sänger Robbie Williams und sein Nachbar Jimmy Page, Gründer und Gitarrist der Rockband Led Zeppelin, seit vier Jahren um geplante Baumaßnahmen an Williams’ Villa im noblen Stadtteil Holland Park.

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Williams würde sein Anwesen mit über 40 Räumen gern um einen riesigen unterirdischen Trakt unter dem Garten erweitern. Doch Page hat mit Hinweis auf die Gefahren von Vibration und Erschütterung durch die Baumaßnahmen auf sein eigenes, benachbartes Anwesen, das unter Denkmalschutz steht, bereits ein früheres Vorhaben zu Fall gebracht. Jetzt wehrt er sich gegen den neuen Bauvorschlag.

Auch die Behörden sind strenger geworden. Einige Stadtteile lassen nur noch ein einziges Kellergeschoss zu und begrenzen den Aushub unter dem Garten. Häufiger als früher werden Geologen oder Statikexperten hinzugezogen. Schließlich kommt es angesichts der vielen Ausgrabungen immer häufiger zu Unfällen, so wie kurz vor Weihnachten 2016 im Stadtteil Barnes an der Themse. Dort stürzte ein 3,8 Millionen Pfund teures Stadthaus aus dem frühen 18. Jahrhundert während Unterkellerungsarbeiten wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

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