Die Öffentlichkeit gewöhnt sich zunehmend an die Bilder der vermummten Polizisten, die frühmorgens wieder irgendwo in der Republik Türen auframmen und danach Kartons mit Unterlagen wegschleppen. Unsere tägliche Groß-Razzia gib uns heute – am Donnerstag ging es gegen Reichsbürger sowie gegen Anhänger der islamistischen Terrororganisation Hamas und des palästinensischen Unterstützernetzwerks Samidoun.
Sicherheitsbehörden in Bayern führten am letzten Dienstag einen groß angelegten Aktionstag gegen Antisemiten durch, vergangene Woche standen islamistische Vereine bundesweit im Fokus.
Besonders seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel sind die politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern erkennbar bestrebt, klare und vor allem bildgewaltige Kante zu zeigen. Tue Gutes und lasse dich dabei filmen, so lautet das sicherheitspolitische Motto dieser Tage.
Viele der Durchsuchungen sollen Vereinsverbote vorbereiten oder den kriminellen Charakter einer Vereinigung belegen. Das ist natürlich zu begrüßen. Es ist gut, dass vor allem das Bundesinnenministerium unter Nancy Faeser endlich aufgewacht ist und härter gegen das extremistisch-islamistische Milieu (nicht gegen die Muslime!) vorgeht.
Auch andere Stellen wie der Generalbundesanwalt ziehen mit: Die Zahl der Ermittlungsverfahren mit Bezug zum islamistischen Terrorismus hat sich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fast verdoppelt.
Trotzdem kann man zumindest skeptisch sein, ob die atemlosen Dauer-Razzien einen wirklichen Politikwechsel einleiten oder nur simulieren – vor allem, wenn sie politisch teilweise so miserabel vorbereitet sind.
Dilettantisches Vorgehen
Jeder halbwegs Interessierte, mindestens aber die Betroffenen, rechneten seit Monaten mit einem Vorgehen gegen das Islamische Zentrum Hamburg; noch krasser liegt der Fall des Palästinenser-Vereins Samidoun: Bundeskanzler Olaf Scholz verkündete Mitte Oktober im Bundestag freihändig das kommende Verbot.
Zeitgleich setzten sich aber nicht etwa Polizeikolonnen in Gang. Es passierte zunächst: nichts. Ein handwerklich dilettantisches Vorgehen. Und so gilt: Razzia ist nicht gleich Razzia – und allein noch kein Beleg für echtes politisches Umdenken.