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  4. Michael Roth (SPD): Albanien und Mazedonien gehören in die EU

Meinung Balkan

Albanien und Nordmazedonien gehören in die EU

Diese Vorteile brachte die EU-Osterweiterung von 2004

Mit der Osterweiterung der EU 2004 machten sich bei den Menschen auch Ängste breit. Vor allem verbreitete sich die Sorge vor billigen Arbeitskräften aus dem Osten. Dass diese Angst vollkommen unbegründet ist, zeigt nun eine Studie.

Quelle: WELT/ Sebastian Struwe

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Die Europäische Union steht im Wort: Albanien und Nordmazedonien haben die von Brüssel gestellten Bedingungen erfüllt. Sie gehören zu Europa. Es ist fatal, das Feld anderen Akteuren wie Russland, China oder der Türkei zu überlassen.

Ja, wir müssen die Europäische Union (EU) reformieren! Aber die überfällige Vertiefung der EU ist kein Gegensatz zu ihrer Erweiterung. Eine größere EU, die zugleich handlungsfähiger, souveräner und demokratischer ist, vermag mehr Sicherheit für ihre Bevölkerung zu schaffen.

Daher hat der scheidende EU-Kommissionspräsident Juncker völlig recht: Es ist ein „historischer Fehler“, dass die Staats- und Regierungschefs der EU am 18. Oktober das grüne Licht für die vorgesehene Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit Albanien und Nordmazedonien verweigert haben.

Es scheiterte an der benötigten Einstimmigkeit. Die erneute Verschiebung eines positiven Votums löste Fassungslosigkeit aus – sowohl auf dem Balkan als auch in der EU. Denn die EU steht im Wort: Beide Länder haben die von der EU gestellten Bedingungen erfüllt. Die EU-Kommission hat dies in ihren Berichten längst bescheinigt.

Michael Roth (SPD), Staatsminister im Auswärtigen Amt
Michael Roth (SPD), Staatsminister im Auswärtigen Amt
Quelle: Martin U. K. Lengemann

Auf dem Westbalkan alles für Frieden, Versöhnung und Demokratie zu tun, muss unser vorrangiges Ziel sein. Denn die Region ist nicht der „Hinterhof“ des europäischen Hauses. Sie ist der Innenhof! Die Stabilisierung und Anbindung der Region liegt im unmittelbaren europäischen und deutschen Interesse.

Wenn die EU dem westlichen Balkan den Rücken kehrt, überlässt sie das Feld anderen Akteuren wie Russland, China oder der Türkei. Und deren primäres Interesse ist sicher nicht die Stärkung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Eine positive Entscheidung hätte das notwendige Signal gesendet: Die EU meint es ernst mit ihrer Verantwortung für ganz Europa und der Beitrittsperspektive für den westlichen Balkan. Und sie hätte honoriert, dass Albanien und Nordmazedonien Herausragendes geleistet und Reformen konsequent vorangetrieben haben. In beiden Ländern haben Bevölkerung und Regierungen immer wieder bewiesen, dass sie bereit sind, für die EU-Annäherung schmerzhafte Kompromisse einzugehen.

Die abermalige Verschiebung schadet massiv der Glaubwürdigkeit der EU. In der Region stärkt sie diejenigen Kräfte, die kein Interesse an Reformen und Fortschritt haben. Nordmazedoniens Regierungschef Zaev kündigte bereits seinen Rücktritt sowie Neuwahlen für April an. Es drohen ein Rückfall in Nationalismus und ein Aufbrechen alter Wunden und ethnischer Konflikte.

EU muss ihre Hausaufgaben machen

Dass die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien jüngst am Widerstand Einzelner scheiterte, ist ein bitterer Rückschlag. Aber es wäre falsch, jetzt den Kopf in den Sand zu stecken.

Im Frühjahr 2020 soll das Thema wieder auf die Agenda der EU-Staats- und -Regierungschefs kommen. Dann müssen wir definitiv klarstellen, dass wir an der Beitrittsperspektive festhalten. Weitere Verzögerungen wären verantwortungslos.

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Derweil müssen Nordmazedonien und Albanien ihre Reformanstrengungen engagiert fortsetzen. Das ist das beste Signal an alle Skeptiker. Gleichzeitig müssen wir im Kreise der EU unsere eigenen Hausaufgaben machen und klären, wie man die Vorbehalte einzelner Mitgliedstaaten ausräumen kann.

Die EU hat längst ihre Lehren daraus gezogen, dass sie in früheren Erweiterungsrunden stellenweise etwas voreilig grünes Licht gegeben hat. Wir haben die Methodologie der Beitrittsprozesse überarbeitet und legen inzwischen einen starken Fokus auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

In den kommenden Monaten gilt es, die Zusammenarbeit mit beiden Ländern weiter zu intensivieren. Die EU ist nicht sichtbar genug auf dem Westbalkan. Die neue EU-Kommission muss die Region endlich zur Chefsache machen!

Wir können sie mit Expertinnen dabei unterstützen, die notwendigen Reformen konsequent voranzutreiben. Auch im Rahmen des Berliner Prozesses sollten wir uns noch stärker engagieren und mehr in regionale Zusammenarbeit investieren.

Zudem müssen wir das Jugendwerk des Westbalkans stärken, damit wir die junge Generation als Botschafter von Frieden und Versöhnung gewinnen. Der Westbalkan bleibt eine Nagelprobe für den dauerhaften Erfolg des europäischen Modells. Wir machen Europa nicht besser, indem wir wortbrüchig werden.

Michael Roth ist seit 1998 Bundestagsabgeordneter der SPD und seit 2013 Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt.

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