In der ersten Runde der französischen Parlamentswahlen am 30. Juni hatten rund eine Million Franzosen mehr ihr Kreuz beim Rassemblement National (RN) als beim Linksbündnis Nouveau Front populaire (Neue Volksfront, NFP) gemacht, in der zweiten Runde am Sonntag sogar fast 1,7 Millionen. In beiden Wahlgängen wählte eine relative Mehrheit der Franzosen die Rechtsaußen-Partei – absolut wählte eine Mehrheit aber andere Parteien als den RN.
Nach Zählung von „Politico“ reichte es bei den Wahlen, gemessen an der Anzahl der Sitze im Parlament, mit 142 Sitzen nur für den dritten Rang. Die linke Neue Volksfront blickt nach dem zweiten Wahlgang auf 188 Sitze und das Bündnis Ensemble von Präsident Emmanuel Macron (ENS) auf 161.
Hier die Ergebnisse für Sitze und Stimmanteile im Überblick:
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Nouveau Front populaire: 188 Sitze, 26,3 Prozent
Ensemble: 161 Sitze, 24,7 Prozent
Rassemblement National: 142 Sitze, 37,1 Prozent
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Les Républicains: 48 Sitze, 6,2 Prozent
Andere: 38 Sitze, 5,6 Prozent
Wie kann das sein? Möglich macht ein solches Ergebnis das französische Wahlsystem. Die Abgeordneten der Nationalversammlung, der größeren der beiden Kammern des französischen Parlaments, werden mit absolutem Mehrheitswahlrecht direkt gewählt. Dabei wird pro Wahlkreis nur ein Abgeordneter nach Paris entsandt – unabhängig von der Einwohnerzahl des jeweiligen Wahlkreises. Schafft es ein Kandidat im ersten Anlauf nicht, 50 Prozent der Wählerstimmen auf sich zu vereinen, kommt es im zweiten Wahlgang zur Stichwahl.
Für gewöhnlich – und so kam es auch bei dieses Mal – werden die meisten Wahlkreise erst in der Stichwahl entschieden. Und dabei wurde dem Rassemblement National eine taktische Absprache und das traditionelle Wahlverhalten der Franzosen zum Nachteil. Mehr als 200 Kandidaten der links-grünen Neuen Volksfront und aus dem Regierungslager zogen sich nach dem ersten Wahlgang zurück, um einen Sieg des RN-Kandidaten in ihrem Wahlkreis zu verhindern. Erfahrungsgemäß wählen linke und liberale Wähler im Zweifel eher einen Kandidaten des jeweils anderen Lagers als einen Kandidaten aus dem rechten Spektrum. So kam es offenbar auch am Sonntag. Das sorgte aber auch dafür, dass Linke und Zentristen absolut weniger Stimmen bekamen, da sie nicht mehr in allen Wahlkreisen antraten.
Die Parlamentswahlen in Frankreich finden losgelöst von den Präsidentschaftswahlen statt. Die Partei oder das Bündnis, das am meisten Sitze in der Nationalversammlung erhält, stellt für gewöhnlich den Premierminister, der vom Parlament gewählt wird.